Page 35 - TEGUT-Marktplatz-4-2024
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                                 Kommen die frisch geschnitte- nen Köpfe vom Feld, befreit sie ein vielköpfiges Team von überflüssigem Blattwerk
überall gedeihen. „Wir machen vieles anders als früher“, sagt Kreiselmaier, „die Artenvielfalt nimmt zu, hier leben zum Beispiel rund 700 Hasen – vor 15 Jahren waren es nur 50.“ Von dem ganzheitlichen ökologischen Denken profitie- ren auch die bis zu 100 Saisonarbeitskräfte im Betrieb, die meisten aus Rumänien und Polen. 20 von ihnen sind mitt- lerweile festangestellt und bewohnen Einzelzimmer im ers- ten Stock eines Gebäudes, das Kreiselmaier eigens bauen ließ. Die anderen leben dort im Erdgeschoss „mit dem Kom- fort so ähnlich wie in einer Jugendherberge“.
Sensibelchen Brokkoli
Zweimal im Jahr setzt Kreiselmaiers Team die Brokkoli- Jungpflanzen in die Erde – von März an mit Ernte bis Mitte Juni und dann von Juli an mit Ernte bis spät in den Herbst. Die Setzlinge liefert ein benachbarter Spezialist für Bio- Jungpflanzen in 4 x 4 Zentimeter kleinen Erdpresstöpfchen. Im Frühjahr schützen Vlies und Mulchfolie die Pflänzchen vor Frost und Eisheiligen, danach muss alles bewässert wer- den. Tensiometer messen die Feuchtigkeit im Boden und zeigen an, wo es in dem weitläufigen Gebiet geregnet hat, wo es zu trocken ist. Kreiselmaier: „Das ist bei uns besonders nachhaltig, wir gehen nicht ans Grundwasser, sondern beziehen unser Wasser aus den Tiefen des Uferfiltrats unter den Altrhein-Armen.“ Wenn dann alles so recht gedeiht, kommen die Schädlinge, die den Brokkoli besonders lieben, in Scharen – etwa Eulenraupen und Wollläuse, Weiße Fliege und Erdflöhe. Gegen sie geht Kreiselmaier nicht mit Pestizi- den vor, sondern legt engmaschige Netze über die Pflanzen.
Oder er behandelt sie mit öligen Flüssigkeiten, die vorwie- gend aus Raps gewonnen werden und im Bio-Landbau üblich sind. Unerwünschte Wildkräuter werden von Hack- maschinen untergepflügt oder, wo nötig, von Hand ausge- rupft. So zeigt der Brokkoli, dem es nicht zu kalt oder zu heiß, zu nass oder zu windig werden darf, in jeder Phase sei- nes rund acht Wochen dauernden Wachstums, welch ein Sensibelchen er ist. Und das bleibt er auch nach der Ernte. Denn er altert schnell. Frisch vom Feld werden die Köpfe von überflüssigem Blattwerk befreit, dann sausen die Brokkoli per Förderband in den sogenannten Schrumpftunnel, der ihnen blitzschnell eine Folie umlegt – bei hoher Hitze. Dann wird es eiskalt: Das sauber verpackte Produkt landet kisten- weise im Kühlhaus, 1 Grad herrscht dort, „die Folie kompen- siert die Kälte und hält das Gemüse frisch“. Danach muss es schnell gehen: „Nach zwei, drei Tagen sollte der Kunde die Brokkoli im eigenen Kühlschrank haben und dann mög- lichst rasch verarbeiten.“
Es war dieser Wunderkohl, der den Gemüsegarten rund um Ruchheim verändert hat. Seit er damit begonnen hat, ist Kreiselmaiers Familienbetrieb, in dem Ehefrau Silke, Mutter und Schwiegervater viele Aufgaben stemmen, ständig gewachsen. „Vor 28 Jahren waren hier 35 Betriebe, jetzt sind es noch drei“, sagt Armin Kreiselmaier. Und halb Ruchheim sei jetzt Bio.
Sohn Emil, 8, weiß schon, was das bedeutet. Beim Rund- gang hackt er auf den Feldern schon mal mit seinem Kinder- spaten abgefallene Zucchini klein – erste Schritte in die Welt der ökologischen Gründüngung.
   Auf dem Förderband sausen die Brokkoli in den sogenannten Schrumpftunnel, der ihnen im Bruchteil einer Sekunde eine Schutz- folie maßgeschneidert eng umlegt
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