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Winning with the Slow (but veno- mous!) Italian
GM Karsten Müller & IM Georgios Souleidis
Der ruhige Italiener nach 1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lc4 Lc5 4.c3 Sf6 5.d3 übt schon seit länge- rem eine große Faszi- nation auf mich aus. Man bekommt ohne zu großen Theorieauf- wand eine Stellung mit
klaren Plänen auf das Brett und steht zugleich recht solide, wodurch man eher selten mit Weiß verliert. Vor allem aber gefielen mir schon immer die typischen Springerwanderun- gen, bei denen der Springer von b1 über d2, f1 und g3 oft bis nach f5 kommt und der andere von g1 über f3 und h2 nach g4 zieht. Die Dame stellt man nach f3 und dann gibt es nette Königsangriffideen. Dieser Plan war immer mein Grundgerüst in dieser Eröffnung, aber natürlich gibt es auch andere Facetten.
2010 zeigte mir GM John Emms in seinem Buch „Beating 1.e4 e5“ aus dem Hause Everyman Chess, dass man zum Beispiel mit Weiß nicht unbedingt rochieren und dann Te1 spielen muss, um den Springer über f1 nach g3 zu hieven. Er zeigte interessante Möglichkeiten, die Rochade erst einmal hinauszuzögern und später dann vielleicht sogar gar nicht oder lang zu rochieren. Das war sehr dynamisch, aber teils auch sehr scharf.
GM Karsten Müller und IM Georgios Souleidis konzentrie- ren sich in ihrem Buch „Winning with the Slow (but Veno- mous!) Italian- An Easy-to-Grasp Chess Opening for Whi- te“ von New in Chess wieder auf die frühe Rochade, wollen dann aber meist mit dem späteren d3-d4 im Zentrum ak- tiv werden.
Das Buch hat einige sehr starke Ideen parat. So gibt es nicht nur Aufgaben mit typischen Taktiken, die recht gut gewählt sind, sondern auch Strategieaufgaben, die die ty- pischen Motive vertiefen. Zudem gibt es ein umfangrei- ches Kapitel zu typischen Strategien in der vorgestellten Eröffnung, die nicht nur die Aspekte aus dem Theorieteil vertiefen, sondern auch noch neue Ideen zeigen. Wenn der deutsche Endspielexperte Karsten Müller beteiligt ist, ist aber natürlich auch ein Kapitel zu typischen Endspiel- strukturen nicht fern. Hier sieht man recht gut die Bau- ernstrukturen und damit verbundenen Pläne. Klasse fand ich ebenfalls das Kapitel zu den Schwarzempfehlungen von verschiedenen Autoren in deren Repertoirebüchern.
Gerade zuletzt gab es aus schwarzer Sicht viele Bücher, die auf 1.e4 e5 empfahlen. Da sich viele Leute ihr Eröffnungs- repertoire aus Büchern zusammenstellen, ist es von großer Hilfe, zu wissen, was der „Feind“ denn so an Empfehlun- gen parat hat. Viele Autoren unterschätzen das vollkom- men, aber hier fand ich alle namhaften Publikationen und dazu jeweils ein Gegenmittel, das nicht Erwähnung gefun- den hatte. Leider hat das Buch auch einige Schwächen. So sieht das Buch durch sein putziges Cover auf den ersten Blick wie leichte Kost aus und auch in den Einleitungstex- ten und dem Klappentext wird immer wieder betont, dass das System einfach zu verstehen ist, dass es ideal für Leu- te mit wenig Zeit und natürlich für den durchschnittlichen Vereinsspieler wie zugeschnitten ist. Der durchschnittli- che Vereinsspieler in Deutschland hat um die 1500 DWZ, aber wenn der sich dann mal den Theorieteil ansieht, wird ihm sicher schnell die Lust genommen, wenn ihm nicht be- wusst ist, dass dies ein knallhartes Theoriebuch ist, das auch Großmeister für ihr Repertoire nutzen könnten. Um trotz- dem alle irgendwo relevanten Varianten plus die oben be- schriebenen Extrakapitel auf nur 234 Seiten unterbringen zu können, wurde leider auf viele verbale Kommentare und vor allem Übersichtlichkeit verzichtet. Mit dem monogra- phischen Stil a la „plusgleich“ und dergleichen kann ich auf Dauer auch nur langsam arbeiten. Zudem ist der angege- bene leichte Vorteil oft schon sehr gering, was für den po- tentiellen Leser dann auch etwas demotivierend sein kann.
Ein Variantenverzeichnis wäre hier von großem Vorteil ge- wesen, aber das sucht man leider vergeblich. Die Kapitel heißen zum Beispiel „Schwarz spielt d5“, „Schwarz spielt Sh5“ oder auch „Schwarz spielt Le6“. Die Zugnummer wird nicht angegeben und man sucht sich dann leider oft einen Wolf, bis man die eine Variante gefunden hat, die man nach- schlagen wollte. Das geht eigentlich besser. Zudem gibt es im Theorieteil dann Untervariante zur Untervariante zur Un- tervariante.
Insgesamt denke ich, dass das Buch mit einem vernünfti- gen Variantenverzeichnis und ohne das Werben um den durchschnittlichen Vereinsspieler sehr gut gewesen wäre. So muss man sich als Leser selbst eine Struktur schaffen und die Varianten und Ideen erklären, was mit wenig Zeit nicht vertretbar ist. Ich kann dieses Buch für Spieler unter 1800 DWZ auch nicht problemlos empfehlen, da die angestreb- ten Strukturen recht unkonkret und nicht ganz so einfach zu handhaben sind und man schon eine gewisse Spielstär- ke benötigt, um das angegebene Material zu würdigen. Die Varianten selbst können auch stärkere Spieler nutzen, um ihr Repertoire zu erweitern und in ruhigen Stellungen et- was Druck zu entwickeln.
IM Dirk Schuh
Das Rezensionsexemplar wurden vom Schachversand Niggemann (www.schachversand.de) gestellt.
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R O C H A D E E U R O PA MMÄARYI 20175
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ROCHADE BÜCHERTIPP
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