Page 56 - Dez2017
P. 56

Les Béguines
Als Jérôme Prévosts Mutter im Jahr 1987 einen Weinberg von rund 1,5 Hektar Größe erbte, wusste in der Familie niemand so recht, was man damit anfangen sollte. Es war damals überhaupt nicht üblich, seine eigenen Champagner auszubauen. Man verkaufte die reifen Trauben an die sogenannten négociants, an große, bekannte Häuser, oder an Winzervereinigungen. Die hatten einen erheblichen Bedarf an Trauben, denn die meisten Häuser verfügen bis heute über zu geringe eigene Flächen, um ihren Bedarf abzudecken. Da das Gebiet der Champagne recht begrenzt ist und trotz eines seit Jahren anhaltenden Booms auch nicht erweitert wird, ist der Traubenzukauf üblich. Die Besitzer von Weinbergen erhalten für ihre Trauben pro Kilo mehr als in fast jedem anderen Anbaugebiet weltweit. 1987 lagen die Preise zwar noch nicht ganz so hoch wie heute, aber einträglich war das Geschäft schon. So entschied sich der 21-jährige Jérôme, die 1,5 Hektar von seiner Mutter zu pachten, die Reben der kleinen Lage Les Béguines zu p egen und die Trauben zu verkaufen. Das war für ihn zunächst die beste Möglichkeit, der verhassten Schule zu ent iehen und sich etwas Eigenes aufzubauen. Zehn Jahre lang verkaufte er seinen Trauben, leistete seinen Armeedienst ab, ging einige Zeit in die Weinbauschule, verließ sie aber schnell wieder, weil er seiner Meinung nach nichts lernte und eigentlich eh viel lieber Champagner trank. In dieser Zeit lernte er allerdings einige andere champagnerbegeisterte junge Weinbauern kennen, die ähnlich in der Luft hingen wie er. Sie gründeten die Interessengemeinschaft Valoriser, und Prévost entschied sich, das Weinmachen zu erlernen. Er traf den in Avize an der Côte des Blancs beheimateten Winzer Anselme Selosse, die beiden verstanden sich gut, und Prévost ging bei ihm in die Lehre. Zu diesem Zeitpunkt hatte Selosse schon mit einem neuen Champagne- Stil von sich reden gemacht und gehörte zu den wenigen Winzern, die sich bereits in den 1970ern getraut hatten, ihre eigenen Weine zu vermarkten. 1998 erschien Prévosts erster Jahrgang, den er nach dem Namen seiner Lage Les Béguines nannte. Seitdem hat sich der Wein, der im Laufe der Zeit einen roséfarbenen Bruder namens La Closerie fac-simile erhalten hat, zu einem der gefragtesten Champagner der Welt entwickelt.
Jérôme Prévost
56


































































































   54   55   56   57   58