Page 75 - Dez2017
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International, dort erklärt er Rebstockabstände It stands there like an animal, a large,
und Kellertemperaturen, den Ein uss von Eichenfässern auf den Geschmack (überbewertet). Ansonsten lässt Müller lieber seine Weine für sich sprechen, die die Kritiker dann in beschwipsten Adjektiven umkreisen. Von „schiefriger Mineralität“ ist die Rede, „vibrierender Säure“. „So zarte, feine, gelbe und weiße Frucht“, schreibt einer. „Litschi kommt mir zuerst in den Sinn, heller P rsich, ein wenig weißer Pfeffer.“
Deutscher Wein, begünstigt von der Klimaerwärmung, ist im Kommen, seit Jahren schon.
Was fasziniert Menschen so am Wein, mehr als an Bier, Whisky oder Apfelmost? Ist es seine Fähigkeit zu altern? Wie ein Mensch im Lauf der Zeit interessanter, ausgeglichener, runder zu werden – oder bitter und ungenießbar? Ist es die Verbindung, die ein Wein herstellt zu einem bestimmten Ort, zu einer bestimmten Zeit? Kaum eine Frucht reagiert so sensibel auf das Wetter wie die Traube, kaum ein Nahrungsmittel ist so lange haltbar. Wein ist der letzte sinnliche Zugang, den wir zu einem vergangenen Jahr haben, den Sonnen- und den Regentagen, den Stürmen und sogar zu den gesellschaftlichen Verhältnissen – ob es genügend Arbeiter gab, welche Methoden im Keller erlaubt waren.
Es gibt eine Anekdote, die davon handelt, wie der Vater von Egon Müller, Egon III., seine letzten beiden Flaschen 1945er Scharzhofberger öffnete. Es geschah in Paris, bei einer kleinen Feier zum fünfzigjährigen Jubiläum des Kriegsendes. Der 45er hätte ein großer Jahrgang werden können, der Sommer war warm und trocken gewesen, aber am Scharzhofberg wucherte das Unkraut. In einer Parzelle lag eine abgestürzte amerikanische Thunderbolt. Erntehelfer gab es kaum. All das muss irgendwie in den Geschmack des Weines einge ossen sei, den die Gäste an diesem Tag tranken – und das Gefühl, einen Tropfen Welt, vielleicht sogar Wahrheit, im Glas zu haben.
Müller bittet in eine Bibliothek. Folianten, ein Sofa, überzogen mit rotem Samt. Über allem schweben ein gusseiserner Kranich, aufgehängt an der Decke, und viele Fragen: Was ist das für ein Wein, der Menschen so viel wert ist? Was steckt in ihm? Wie gelingt es Müller, Trauben in etwas zu verwandeln, was zwar nicht ganz, aber doch halb so viel wert ist wie Gold?
peaceful animal, which provides a juice that, for some reason, is viewed as being special. The Scharzhofberg, one of the most valuable stretches of agricultural land in Germany. It has only a somewhat steep
slope, being 100 metres high, and 800 metres across. No river running by it, but instead a country road. If you did not know anything about it, you would just carelessly pass it by.
It is May 2015, and at this time of the year, the hill is still brown. At its foot: The manor. A weathered manor house with a slate roof and seven  replaces. A blue rowing boat has sunk in the carp pond. The door to the house is open.
A dark anteroom. A grandfather clock that does not beat anymore. A barometer. An oil painting with boozing Napoleonic soldiers.
And a slender man, now in jogging shoes, coming down a  ight of stairs muttering, „How I hate that.“
The King of Riesling is in a bad mood.
„Egon Müller is faced with all kinds of rubbish,“ Stuart Pigott, the wine critic, explained about the 57-year-old, who is said to have white wines in line with the great French wines of Château d‘Yquem or Domaine de la Romanée-Conti, sacred places of the wine world. A bottle of Egon Müller Trockenbeerenauslese ‚99 (vintage wine) from Scharzhofberg was auctioned  ve years ago for € 5,300. Without VAT.
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