Page 76 - Dez2017
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Müller erzählt von den 100 Jahre alten Reben am Berg, vom langsamen Wachsen der Trauben an der Saar, global gesehen ein kühles Anbaugebiet. Von den handverlesenen Beeren, aus denen er Weine im alten Stil mache, mit einer Spur Süße. Von seinen Kunden, jungen Riesling-Freaks, alten englischen Ladys, Bankern und Oligarchen, die nicht nur für den Geschmack seiner Weine bezahlten, sondern für ein Produkt, das sehr rar sei und eine besondere und lange Geschichte habe.
Im Jahr 1797 kaufte ein Vorfahr Müllers das Gut im Zuge der napoleonischen Säkularisierung. Seither bestellt seine Familie den Scharzhofberg. Fragt man Müller, was sie so erfolgreich macht, gibt er sich bescheiden und lenkt die Aufmerksamkeit zurück auf den Berg. „Ich bin jetzt hier in der sechsten Generation. Und ausnahmslos alle standen an der Spitze von dem, was in ihrer Zeit an Weinen auf dem Markt war. Da müsste man ganz schön aufgeblasen sein, um zu sagen, eine Familie kann sich in so ununterbrochener Reihenfolge in guten Talenten fortp anzen. Das muss man schon sagen: Das ist der Weinberg.“
Mittagszeit. Müllers Frau Valeska, 41, sportlich, schlank, in Jeans und Joggingschuhen, bringt Lachsschnitten.
Müller talks about the 100-year- old vines on the hill, and the slow growing grapes on the Saar
„Wein?“, fragt Müller. Ich schüttele den Kopf. Ich bin keine Weinkennerin und will nichts von irgendwelchen Aromen fabulieren, sage ich. Keine Sorge, sagt Müller, er sei auch nicht so der Weinkenner. Ich lache, aber er meint das ernst: Er sei im Grunde nur für die Ausgewogenheit von Säure und Süße zuständig, sein Alltag werde von Wetterberichten bestimmt, nicht von Weinkritiken. „Ich bin in erster Linie Landwirt“, sagt er. Später laufen wir durch die Reben, an denen sich zartgrüne Blätter zeigen. Um diese Jahreszeit sei er entspannt, sagt Müller. Die Weinstöcke tragen keine Früchte, um die er sich sorgen muss. Das Jahr ist noch jung, und es lässt sich nicht abschätzen, ob es ein gutes werden wird. Wir wollen ihn durch das Auf und Ab der Jahreszeiten begleiten und dabei zusehen, wie er dem Berg diesen besonderen Wein entlockt.
Egon Müller, das ist schnell klar, ist, im Gegensatz zu seinem Ruf, weder verschlossen noch arrogant. Er überlegt nur, bevor er etwas sagt. Es ist diese
German wine, improved by global warming, has been on the rise for years now. Riesling has supplanted the omnipresent Chardonnay, and the prices of the best German locations beat those of the French. In times when wine is attributed everything that is lost in the globalised world - grounding, a clear idea of home - winemakers are treated like artists. At the top: Egon Müller IV, born to a family which numbers their sons in the same way as kings. A legend in the wine world, yet almost unknown to the general public.
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