Page 6 - Leinen los 05/2025
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Maritime Sicherheitspolitik
Fünf strategische Puzzles im Ostseeraum
Sebastian Bruns
Der 10. März 2025 war der 1111. Tag des brutalen und illegalen Krieges Russ- lands gegen die Ukraine, die Zeitspanne
von 2014 nicht einmal berücksichtigt. Der düstere Jahrestag fiel in eine Zeit, in dem durch US-amerikanische Aktivitäten reichlich Aufruhr in die transatlantischen Beziehungen und damit auch in die sicher- heitspolitische Unterstützung der Ukra- ine gekommen war. In der Bundesrepub- lik Deutschland befand man sich in einer Zwischenphase zwischen amtierender und kommender Regierung – und nutzte die Gelegenheit, umfangreiche Grundge- setzänderungen für die nationale Sicher- heit und Verteidigung umzusetzen.
Auf dem Schlachtfeld gingen die Kämpfe hingegen unvermindert und verbittert weiter, wobei die russische Eskalation darauf hindeutet, dass Wladimir Putin glaubt, sämtliche Trümpfe in der Hand zu haben. 2025 wird zu einem entschei- denden Jahr für Russlands Regime, für das Überleben der Ukraine und für die europäische Sicherheitsordnung. Wäh- renddessen hat der Konflikt in der Ukra- ine bereits die 10-Jahres-Marke über- schritten. Schon im Frühjahr 2014 annek- tierten russische Truppen die Halbinsel Krim und zettelten in der ukrainischen Region Donbass einen Bürgerkrieg an, der den Boden für die Invasion am 24. Februar 2022 bereitete.
„Freiheit der Meere und Sicherheit auf See sind nicht nur Rechte, sondern Verantwortung, die wir alle teilen“ – Verteidigungsminister Boris Pistorius am 21. Oktober 2024 in Rostock bei der Zeremonie zur Aufstellung des Stabes Commander Task Force Baltic (CTF Baltic)
Es ist hinreichend bekannt, dass diese Ereignisse auch Europa und die Ostsee- region verändert haben. Mehr noch als das dank der Montreux-Konvention für Nicht-Anrainer de facto geschlossene Schwarze Meer, in dem freilich nichtsdes- totrotz einige bemerkenswerte maritime Aktivitäten im Kontext des Russland-Ukra- ine-Krieges stattgefunden haben, ist die Ostsee nun wieder ein zunehmend wich- tiger Operationsraum für Seestreitkräfte. Auch die strategische Geografie hat sich
hier fundamental geändert: Finnland und Schweden sind NATO-Mitglieder, wiewohl die Ostsee kein „NATO-Meer“ ist, son- dern Russland weiter Anrainer und inter- nationale Kriegs- und Handelsmarinen ein- und ausfahren.
Das Maritime ist im Aufwind: Der Nord- atlantikpakt trägt ja seinen maritimen Bezug schon im Namen. Im Gegensatz zu den operativen Planungen der 1980er- Jahre allerdings, bei denen sich amphibi- sche Streitkräfte des Warschauer Paktes und NATO-Kriegsschiffe Auge in Auge gegenüberstanden und sich U-Boot-Flot- tillen in Ost wie West intensiv miteinander beschäftigten, ist die neue maritim-mili- tärstrategische Situation in Nordeuropa eine andere. Die Bedeutung der kritischen Unterwasserinfrastrukturen (critical under- sea infrastructure, CUI) wurde beispiels- weise durch Angriffe auf Pipelines, Kabel und die ominösen Muster russischer Auf- klärer mehr als deutlich gemacht. Ein unter chinesischer Flagge fahrender Massengut- frachter, der einen russischen Hafen ver- lassen hatte, durchtrennte Ende Novem- ber 2024 Seekabel, die den Meeresbo- den zwischen Finnland und Deutschland durchqueren, sowie eines, welches Schwe- den mit Estland verbindet. Cyber-, Sabo- tage- und Informationsoperationen zielen währenddessen auf unsere Gesellschaften
Sie sind CTF: Marinesoldatinnen und -soldaten aus 13 Nationen, hier angetreten bei der Aufstellungszeremonie für ihren Führungsstab im Marinekommando in Rostock. Seit Oktober 2024 überwacht dieser Stab den Ostseeraum
6 Leinen los! 5/2025
Foto: Bundeswehr/Nico Theska