Page 8 - Leinen los 05/2025
P. 8

Maritime Sicherheitspolitik
Operationsgebieten denken, während viele Admirale in Kontinenten und damit gebietsübergreifend ihre Schlüsse zie- hen. Anders ausgedrückt: Es macht einen Unterschied, ob man nur auf die Ostsee schaut – oder sie als Teil der aus Nordeu- ropa, der Nord-, Norwegen- und Barents- see bestehenden Nordflanke begreift. Für diejenigen, die mit der berühmt- berüchtigten Las-Vegas-Regel („Was in Vegas passiert, bleibt in Vegas“) ver- traut sind, gibt es eine umgekehrte For- mel: „Was in der Ostsee passiert, bleibt nicht in der Ostsee“, sondern hat allerlei Wechselwirkungen mit anderen See- und Operationsgebieten. Der multidimensi- onale Charakter der maritimen Domäne (Überwasser-, Unterwasser-, Luft-, Cyber-, Weltraum-, elektronische und Informati- onskriegsführung, dazu das Zusammen- spiel von bemannten und unbemannten Systemen) macht die Notwendigkeit einer gedanklichen Verbindung von Schauplät- zen und Ebene zwingend notwendig. Das ist operativ, strategisch und intellektu- ell extrem anspruchsvoll. Und das sind nur die militärischen Aspekte des The- mas. Das chinesische Frachtschiff, das die Ostsee verlassen wollte, nachdem es angeblich Seekabel durchtrennt hatte, ist ein anschauliches Beispiel. Hätten die skandinavischen Küstenwachen das Schiff nicht im Kattegat gestoppt, wäre der zivile Frachter in die Nordsee ausge- laufen und wahrscheinlich für immer ver- schwunden, bevor man die Verantwortli- chen zur Rechenschaft ziehen könnte. Nur wenige Wochen später machte Finnland vieles richtig und stoppte den Öltanker M/V EaglE S. Der unter der Flagge der
Der im russischen Staatsbesitz befindliche Öltanker generAl skOBelev auf dem Transit durch die Ostsee. Er wurde bislang im Syrien-Express eingesetzt
Unsere Marine übt beim Manöver Northern Coasts (NoCo) seit 2007 die Zusammen- arbeit mit Partnern im Ostseeraum, zum Schutz dieses Seegebiets. Im Bild U 34 der Deutschen Marine bei NoCo 2024
8 Leinen los! 5/2025
Cookinseln fahrende Transporter, auch er Teil der russischen Schattenflotte, ist drin- gend verdächtigt, am 25. Dezember 2024 das Estlink-2-Seekabel zwischen Finnland und Estland durch einen Sabotageakt absichtlich zerstört zu haben.
Das dritte Rätsel ist
wohl das schwerwiegendste: Werden wir in der Lage sein, unser Gewicht in die Waagschale zu werfen, wenn der Konflikt mit Russland noch weiter eskalieren sollte?
Die Messlatte für politische und militäri- sche Erfolge sollte schließlich nicht 2014 oder 2022 sein, auch wenn es nützlich ist, sich an den zurückgelegten Weg rund um und seit der Zeitenwende zu erin- nern. Stattdessen müsste das Niveau, an dem wir uns messen lassen, das Jahr 2028, 2035 oder eine andere gut begründete Schätzung sein. Die Deut- sche Marine hat mit dem mutigen und abgewogenen Zielbild 2035+ diese Zukunftsgewandtheit kodifiziert. Aller- dings: In Anbetracht der Unterströmun- gen bei der Entscheidungsfindung in Demokratien, der langen Zeiträume, die mit dem Bau, der Ausrüstung und dem Betrieb von Seestreitkräften verbunden sind, und nicht zuletzt der gewalttätigen Dynamik unserer Zeit ist der wahre Test der nächste Krieg – nicht der letzte.
Foto: Michael Nitz, Naval Press Service
Foto: Michael Nitz, Naval Press Service


































































































   6   7   8   9   10