Page 35 - Art Auction December 7 & 8 2019 Lempertz (German Text)
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JAPAN
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Große Ziervase. Elefantenzahnsegment. Tokyo. Ca. 1890
Sign.: Kômei und Siegel: Ishikawa
Die Wandung rundum beschnitzt in Relief mit einigen Unterschneidungen mit Chôhi (links), Ryûbei, der spätere Kaiser Gentoku
(Mitte) und Kan‘u mit Pokal (rechts) an einem hohen Tischchen, auf dem Gefäße stehen, unter einem blühenden Pfirsichbaum.
Der Fuß in Silber gefasst und dekoriert in Relief mit vergoldeten Chrysanthemenblüten und Blattranken auf einem Wolkenmus-
tergrund. Das Metall ist fest geschraubt auf einen hohen, in mehreren Teilen fein geschnitzten Holzsockel mit Drachen in Wellen
und Wolken sowie hochspringenden Wellen an den vier Füßen. Ein Zwischenglied der Zarge fehlt.
H mit Sockel 58,2 cm
€ 20.000 – 30.000
Ishikawa Kômei (1852-1913) war der wohl berühmteste Elfenbeinschnitzer der Meiji-Zeit. Er wurde in eine Familie von Tempel-
schnitzern (miyabori-shi) geboren und lernte zunächst, in Holz zu schnitzen. Dann ging er bei dem Netsuke-Schnitzer Kikugawa
Masamitsu (1822-nach 1879) in die Lehre. Seit 1874 galt er als Spezialist für Elfenbeinschnitzereien und verwendet ab 1878 den
Namen Kômei. 1891 wurde er zum teishitsu gigei-in (Künstler des Kaiserlichen Haushalts) ernannt. Sein Œuvre besteht aus frei-
stehenden Figuren, Netsuke und Pfeifenfutteralen. Nur eine weitere Vase aus einem Zahnsegment mit Darstellung eines beritte-
nen Bogenschützen (wahrscheinlich nicht Yoshitsune) ist bekannt und befindet sich in der Walters Art Gallery, Baltimore, USA.
Diese Vase ist eingelassen in einen Sockel aus Metall, der bewegtes Wasser darstellt.
Solche Elfenbeinvasen, beschnitzt oder mit Shibayama-Einlagen, oft auch in Paaren, wurden für den Export in den Westen her-
gestellt und waren Exponate auf den Inlands-Industrieausstellungen sowie den internationalen Weltausstellungen. Solche Vasen
sind in zeitgenössischen Publikationen zu Elfenbeinschnitzereien abgebildet. Sie sind rundum beschnitzt und stehen auf einem
separat geschnitzten Ring aus Holz oder Elfenbein auf passigen Füßchen. Hier sind auch sehr ähnliche Chrysanthemendekore
wie auf der vorliegenden Vase zu finden (siehe „Shinko chôkoku zusen“, 1891, S. 10b). Weil die Wandung dieser Vasen unten
dünn ist, wird ein Ring aus Metall, Holz oder Elfenbein oder ein Holzsockel zur Stabilisierung benötigt.
Die figürlichen Darstellungen auf diesen Vasen beziehen sich immer auf Heroen
aus Japans vorgeschichtlicher Zeit oder Helden des Mittelalters, die Kaisertreue
verkörpern. Insofern ist das chinesische Thema auf der vorliegenden Vase unge-
wöhnlich. Bezug zu der restaurativen Stimmung der ersten Hälfte der Meiji-Zeit ist
jedoch auch in diesem chinesischen Thema des Bruderschwurs im Pfirsichgarten,
einer fiktionalen Begebenheit in dem Roman „Sangokushi“ (Die Drei Reiche) zu
finden, denn der Bruderschwur diente der Wiederherstellung der rechtmäßigen
Han-Herrscher. Ryûbei, ein entfernter Abkömmling dieser Dynastie, bekämpfte
mit seinen Schwurbrüdern den Aufstand der „Gelben Turbane“ und besiegte den
Usurpator Cao Cao im Jahr 208 n. Chr., woraufhin die Drei Reiche (Wei, Shu und
Wu) entstanden und Ryûbei jetzt als Kaiser Gentoku von Shu-Han 220 inthroni-
siert wird.
Bildhafte Vorlagen für die Darstellungen stammen aus der japanischen Holz-
schnittkunst ab 1850. Hier waren die drei Helden, auch verkörpert von Schauspie-
lern, in einem Garten an einem gedeckten Tisch sitzend dargestellt. Ihr körperli-
ches Volumen, die Art, breitbeinig zu sitzen, und ihre wilden und buschigen Bärte
sind Zeichen von Bedeutung und Macht, eine Typisierung, die von Kômei hier in
seinen Vasendekor übernommen wurde. (PJS)
Shinko chôkoku zusen, 1891, S. 106 Animierte 3D-Ansicht
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