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SCHWEIZER CORONA-IRRWEG
RUBRIK
SELBSTSICHERHEIT – UND SELBSTZWEIFEL
Es geht uns schon zu lange viel zu gut. Und wir Schweizer
glauben daran, für alle Probleme die richtige Lösung schon
zu finden, es braucht halt etwas Zeit, und jeder soll mit-
reden können, über die beliebte Vernehmlassung, endlose
Gremiendiskussionen, das Ausmarchen in Kommissionen,
Anrufen von Experten, Beachten aller Lobby-Interessen,
breit abgestützt Kompromisse und gewagte Auftrete in der
Arena, dem belanglosen Politsteckenpferd des öffentlichen
Fernsehens.
Doch keiner wagt in der Krise die Zügel in die Hand zu
nehmen. Die Regierung in Bern ist es nicht gewohnt, viel
Macht in der Hand zu haben – lieber verwaltet sie die Mei-
Lockdown beendet – wir haben‘s im Griff! nungen, um es allen recht zu machen, als dass sie regiert. Sie
könnte, hier im Fall der Pandemie, dank den Befugnissen
aus der Bundesverfassung und speziell gestützt auf das Epi-
mit Blick auf künftige Wahlen, aber auch durch die erhöhte demiengesetz, durchgreifen, und die wesentlichen Eckpfei-
öffentliche Präsenz ihrer Meinungsmacher und Topkandida- ler setzen, wie sie es unter Notrecht kurzfristig getan hat.
ten; die Kantone, stets auf ihre Souveränität und Kenntnis Nur sah sich der Bundesrat im Nachhinein genötigt, sich
der doch überaus speziellen lokalen Gegebenheiten pochend; beinahe zu entschuldigen, für seine «unanständige» und so
die Lehrerschaft, frustriert durch die sinnentleerten Home- gar nicht schweizerische Machtergreifung. Man war denn
schoolings, angesichts mangelnder Digitalisierung brutal doch sehr erleichtert, die Verantwortung wieder an die Kan-
konfrontiert mit den Defiziten der «modernen» Schweiz im tone zurück geben zu können, um ja nicht in ein Fettnäpf-
Bildungswesen, aber auch weil viele die eigene Rückständig- chen zu treten.
keit gegenüber dem raschen Wandel der Zeit erkennen; die
Jugend, die sich langweilt, scheinbar ein Jahr in ihrer pubertä- EIGENINTERESSEN – STATT VERANTWORTUNG
ren Selbstfindung «verloren» hat, weil die Partys und lockern So beugt sich der Bundesrat immer wieder dem Druck von
Chills untereinander fehlen; dazu kommen sicher noch die aussen, vor allem dem der Wirtschaftsverbände, der Kan-
«Chörlis», die «Jasser», die «Fitness-Fans», jede «Band», alle tone – und dem der lautstarken Politiker aus der rechtspo-
die Vereine und sogar die Kirchen, die alle klagen bis auf- pulistischen und dem liberalen Ecke. Da wagt es Christoph
schreien mitunter sogar auf die Strassen gehen und im Ext- Blocher sogar den Gesundheitsminister Berset öffentlich
remfall zu gewalttätigen Mobs werden. Spätestens dann ist es als «Diktator» zu bezeichnen, weil er, nach Entscheidungen
vorbei mit der «Willensnation», den zusammenstehen als ein seiner Kollegialbehörde, Massnahmen und Regeln für die
«einig Land von Schwestern und Brüdern». ganze Schweiz bekannt gibt. Aber sogar von Minderhei-
ten beeindrucken die Regierung über die Massen, wie die
Jugendkrawalle – in einem Jahr die ganze Jugend verpasst?!
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