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RUBRIK
nach einem zerstörerischen Wendejahrzehnt nach dem Un- weitgehend erfolgreichen Bemühungen, die Protestbewegun-
tergang der Sowjetunion mit anhaltender Rezession, vom gen im Land zu unterdrücken. Oppositionsführer wurden
anschliessenden Wachstum. So wurde im März 2004 pro- inhaftiert, und Nichtregierungsorganisationen, die aus dem
blemlos wiedergewählt. Seine Wiederwahl verdankte der Ausland finanziert wurden, wurden als „ausländische Agen-
inzwischen beliebte Präsident aber den sozialen Wohltaten, ten“ bezeichnet. Die Spannungen mit den Vereinigten Staaten
der wirtschaftlichen Stabilität und dem sicht- und greifba- nahmen im Juni 2013 zu, als der Auftragnehmer der US-ame-
ren Aufschwung. Bei den Parlamentswahlen im Dezember rikanischen National Security Agency (NSA), Edward Snow-
2007 gewann Putins Partei, das «Vereinigte Russland», gar den, Zuflucht in Russland suchte, nachdem er die Existenz
eine überwältigende Mehrheit der Sitze. Obwohl die Fairness einer Reihe geheimer NSA-Programme enthüllt hatte. Snow-
der Wahlen von internationalen Beobachtern und von der den durfte in Russland bleiben, unter der Bedingung, dass er
Kommunistischen Partei der Russischen Föderation in Fra- nach Putins Worten aufhört, „unseren amerikanischen Part-
ge gestellt wurde, bestätigten die Ergebnisse dennoch Putins nern Schaden zuzufügen“.
Macht. Wegen einer Verfassungsbestimmung, die Putin 2008
zum Rücktritt zwang, wählte er Dmitri Medwedew als sei-
nen Nachfolger – mit weiterreichenden Plänen.
Erste Massenproteste in Moskau, die brutal niedergeprügelt
wurden und mit jahrelangen Haftstrafen für Demonstranten
endeten, gab es erst 2011/12, nachdem erst die Duma-Wahl Snowdens Flucht nach
gefälscht und dann bekannt wurde, dass sich Putin – der nach
zwei Amtszeiten als Präsident nun wieder Premier war – wie- Russland sorgte für
der zum Staatschef wählen lassen wollte. Putin sah sich im internationale Turbu-
Rennen um das Amt des Präsidenten erstmals einer überra- lenzen; Snowden lebt
schend starken Oppositionsbewegung gegenüber. heute noch in Russ-
land.
Am 4. März 2012 wurde Putin jedoch für eine dritte Amts-
zeit zum Präsidenten Russlands gewählt. Vor seiner Amtsein-
führung trat Putin als Vorsitzender des Vereinigten Russland
zurück und übergab Medwedew die Kontrolle über die Partei.
Er wurde am 7. Mai 2012 als Präsident eingesetzt. Eine sei-
ner ersten Amtshandlungen bei Amtsantritt war die Ernen-
nung von Medwedew zum Premierminister.
DRITTE AMTSZEIT DES PRÄSIDENTEN Nach Angriffen mit chemischen Waffen ausserhalb von Da-
Putins erstes Amtsjahr als erneuter Präsident war geprägt von maskus im August 2013 plädierten die USA für eine militäri-
sche Intervention im syrischen Bürgerkrieg. In einem in der
New York Times veröffentlichten Leitartikel drängte Putin zur
Zurückhaltung, und US-amerikanische und russische Beamte
vermittelten einen Deal, durch den Syriens Lager an chemi-
schen Waffen zerstört werden sollten.
Putin gedachte des 20. Jahrestages der Annahme der postso-
wjetischen Verfassung im Dezember 2013, indem er die Frei-
lassung von rund 25.000 Personen aus russischen Gefäng-
nissen anordnete. In einem separaten Schritt rehabilitierte er
Michail Chodorkowski, den ehemaligen Chef des Yukos-Öl-
konglomerats, der seit mehr als einem Jahrzehnt inhaftiert
war.
DAS KRIM-ABENTEUER ALS POLITISCHE
ABLENKUNG
Ene aufkommende Wirtschaftskrise und deutlich schwin-
Ukraine-Krise: Treffen der Staats- und Regierungschefs der Welt
in Minsk, Weissrussland, um die Bedingungen eines Waffenstill-
stands im Konflikt in der Ostukraine am 11. Februar 2015 zu
erörtern. Von links nach rechts: Belarussischer Präsident Alyak-
sandr Lukaschenko, russischer Präsident Wladimir Putin, Bun-
deskanzlerin Angela Merkel, französischer Präsident. François
Hollande und der ukrainische Präsident Petro Poroshenko.
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