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REPORTAGE  TRUCKING IN THAILAND














                                                 Überschaubares Angebot:
                                                      An der Einfahrt zu
                                                  einer Tankstelle steht ein
                                                     Würstchenverkäufer








                    ie soll sich die kleine thailändische   portunternehmens, und ob der Oldtimer bei   tener wie Trucks made in China und offenbar
                    Insel Koh Mak in Zukunft ihren Gäs-  Gelegenheit noch aktiviert wird, lässt sich beim   nur bei den Flotten von Großunternehmen eine
           Wten präsentieren? So wie bisher, also   besten Willen nicht herausfinden. Irgendwann   Alternative zu den lokalen Marktführern.
           sehr natürlich und mit viel Grün, oder doch et-  einmal hat ein guter Schlosser dem Mercedes   Auffällig ist, dass viele auch schwere Lkw auf
           was moderner, touristischer – erschlossener   eine perfekt funktionierende Klimaanlage nach   Gasbetrieb umgerüstet wurden. Die massiven
           eben? Die Einheimischen diskutieren die Frage   Art des tropischen Landes spendiert: Türen und   Tanks befinden sich hinter den Fahrerhäusern
           momentan mit viel Engagement. Und während   Rückwand und alle Fenster bis auf die Wind-  oder werden hängend unter das Chassis mon-
           andernorts, auf großen Inseln oder auf dem Fest-  schutzscheibe wurden ausgebaut und ein drei-  tiert. An den speziellen Gastankstellen für NGV
           land, von den Modernisierern mit großem Ta-  fach geschwungenes Rohr angeschweißt, das als   (Erdgasfahrzeuge) herrscht immer Hochbe-
           tendrang schon längst Fakten geschaffen worden   Einstiegshilfe, Armlehne und Schutz vor dem   trieb. Hier ist der Treibstoff für rund 11,50 Baht
           wären, kann sich die Diskussion auf Koh Mak   Herausfallen dient.            (umgerechnet rund 0,28 Euro) zu haben. Diesel
           ruhig etwas in die Länge ziehen. Denn auf der                                kostet umgerechnet rund 0,72 Euro. In den ver-
           Insel dauert es mit Sicherheit eine ganze Weile,   JAPANISCHE MARKEN BEHERRSCHEN   gangenen Jahren haben die thailändischen Re-
           ehe Fakten geschaffen werden. Zum Bauen von   DEN LKW-MARKT IN THAILAND      gierungen den Umstieg massiv gefördert, damit
           neuen Häusern oder Ferienanlagen braucht es   Ungefähr einen Kilometer weiter machen drei   das benötigte Gas vor der eigenen Küste geför-
           bekanntlich Trucks – und die sind auf dem Ei-  andere Trucks ebenfalls das, was eigentlich jeder   dert beziehungsweise zu einem geringen Teil aus
           land Mangelware. Angeblich gibt es nur noch ein   Transporteur unbedingt vermeiden will: Sie ste-  dem benachbarten Myanmar importiert wird
           Transportunternehmen, das andere ist im Som-  hen. Was in diesem Fall aber nicht so schlimm   und damit deutlich günstiger angeboten werden
           mer 2014 in Konkurs gegangen ...       ist, denn die Fahrzeuge arbeiten trotzdem. So-  kann als Treibstoff auf Basis von importiertem
                                                  zusagen. Denn genau genommen sind es nicht   Öl. Zwischen Bangkok und Trat entdeckt man
           DER EINZIGE KIPPER AUF DER INSEL       die Laster die arbeiten, sondern die Aggregate,   in der Masse der Trucks immer wieder einzelne
           HAT SEINE BESTEN TAGE HINTER SICH      die auf die Chassis montiert wurden. Die wum-  Prachtexemplare, die besonders liebevoll her-
           Und der einzige „richtige“ Truck unter den vie-  mernden Triebwerke versorgen die komplette   ausgeputzt wurden.
           len Pick-ups auf den einspurigen Betonpisten   Insel mit Strom. Aber nicht mehr allzulange,
           hat seine besten Tage auch schon vor vielen Jah-  denn – so viel Fortschritt wird kommen, das ist   VIELE SPIEGEL, VIELE LICHTER:
           ren gesehen. Es ist ein betagter, von Kitt und   schon sicher – in naher Zukunft wird der Strom   MASSE IST TRUMPF
           vielen Farbschichten zusammengehaltener Isu-  via Unterseekabel vom Festland geliefert. Wenn   Im Moment scheinen die gewaltigen Rückspie-
           zu-Kipper, dessen Dachbügel ein Michelin-  es so weit ist, müssen die Lastwagen den kurzen   gel-Batterien ein Muss zu sein bei den thailän-
           Männchen ziert, das im Lauf der Zeit zwar farb-  Weg zur Fähre schaffen, um dann auf eine ande-  dischen Supertrucks. Bis zu neun Spiegel hängen
           los, aber gottlob nicht schlank geworden ist. Wie   re kleine Insel transportiert zu werden, die Strom   da an einem Bügel, was unweigerlich die Frage
           alt der Truck ist, wie viele PS der Motor hat oder   benötigt.               provoziert, ob ein Fahrer angesichts dieses Ka-
           was für ein Getriebe in dem Oldie verbaut wur-  Während die wenigen Trucks auf der Insel   leidoskops noch irgendetwas vernünftig  erken-
           de, weiß Peak, der Fahrer, nicht zu sagen. Es mu-  irgendwie vergessen wirken, geht es auf dem   nen kann. Auch weiter oben ist Masse Trumpf:
           tet grotesk an, wenn der Thai seine Plastikpan-  Festland quirliger und moderner zu. Koh Mak   Die ebenfalls verchromten Dachbügel werden so
           toletten in der Ablage auf dem Einstieg deponiert,   liegt vor der Ostküste des Landes, fast in Sicht-  dicht wie es nur geht mit Lampen vollgepackt.
           ehe er sich ins Fahrerhaus zwängt. Aber so ist   weite des Highways, der Thailand mit seinem   20 Stück sind keine Seltenheit. Damit lässt sich
           das eben in Thailand – hier zieht man seine Schu-  Nachbarn Kambodscha verbindet und über den   dann auf der Autobahn das Heck des Vorder-
           he aus, bevor man in ein „Haus“ geht – oder auf   letztlich auch ein großer Teil des Landverkehrs   manns trefflich ausleuchten.
           die Terrasse eines Restaurants.        von und nach Vietnam abgewickelt wird. Hier   Und auf dem prangt vielleicht in buntesten
              Aber immerhin arbeitet der rostige Hauber   sind Veteranen wie auf Koh Mak eine Seltenheit.   Farben eine der schönen Landschaften, für die
           noch, im Gegensatz zu einem Daimler mit kur-  Auf den Straßen fahren die neuesten Trucks, die   Thailand und seine Inseln so berühmt sind: Mit
           zer Nase. Weiß der Himmel, woher und wie es   von den meist japanischen Herstellern angebo-  Bergen, glühenden Sonnenuntergängen, Elefan-
           den Zweiachser auf die kleine Insel verschlagen   ten werden. Wenn der Eindruck nicht trügt, be-  ten, Flamingos, Wasserfällen und klaren Flüs-
           hat. Jetzt steht er auf dem Parkplatz eines Trans-  herrschen Isuzu und Hino den Markt. Chinesi-  sen, in denen die heilige Lotusblüte sprießt.
                                                             sche Fabrikate sind noch deutlich   Offensichtlich lässt sich auch in Thailand das
           Mit ein wenig Kitsch lässt sich das               in der Minderheit, werden aber   harte Truckerleben mit ein wenig Kitsch leichter
           Trucker-Leben leichter bewältigen                 zunehmend mehr. Westliche   bewältigen.           Richard Kienberger
                                                             Marken sind allerdings noch sel-


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