Page 31 - Torries
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Ich bin das Volk



 Neu in BamS
 Was
 Werner Klöckener   Viele Senioren
 (53) betreibt das   mich
 Hotel-Landhaus   leben mit Partner
 „Klöckener“ in Dörn-  bewegt
 holthausen (500   zusammen
 Einwohner) im Sau-
 erland. Das Fami-  Wiesbaden – Der Anteil äl-baden – Der Anteil äl-
 lienunternehmen   terer Menschen, die mit
 war ursprünglich   ihrem Partner in einem
 ein Bauernhof, seine   Haushalt wohnen, ist zu-
 Großmutter ließ   letzt stark gestiegen. Wäh-
 es in eine Pension   rend 1996 nur etwas mehr
 umwandeln – 1993
 übernahm Klöcke-  als die Hälfte der 70- bis
 ner es von seinem   79-Jährigen in einer Part-
 Vater. Er steht als   nerschaft lebte, sind es
 Koch in der Küche,   heute zwei Drittel. Das
 seine Spezialität ist   Bundesinstitut für Bevölke-
 frisches Wild aus   rungsforschung nennt zwei
 der Gegend und   Gründe: Vor zwei Jahrzehn-
 westfälische Küche.   ten gab es bei älteren Men-
 Die Ehefrau Felicia   schen einen starken Frau-
 (47) kümmert sich
 um den Service.   enüberschuss, da im Zwei-
 Gemeinsam mit   ten Weltkrieg viele Männer
 den vier Kindern   gefallen sind. Zudem sind
 Vincent (16), Annika   heute Partnerschaften oh-
 (14), den Zwillingen   ne Trauschein weitgehend
 David und Bastian   akzeptiert.
 (beide 6, Foto)
 wohnt das Paar
 auch im Gasthof.
 Jeder Dritte
 will seinen Job
 lockerer sehen
 Der Freiheits-Ruf „Wir sind das Volk“ der Montagsdemonstrationen in der damaligen
 n –
 DDR wurde von Pegida-Anhängern gekapert, ist heute fast negativ besetzt. BamS   Eschborn – 33 Prozent der  33 Prozent der
 Berufstätigen in Deutsch-
  fi ndet das schade, denn alle Bürger in Deutschland sind „das Volk“: Junge und Alte,   land wollen im nächsten
 Jahr ihre Arbeit nicht mehr
  Arme und Reiche, Singles und Familien, Erfolgreiche und Abgehängte, Studenten   so verbissen sehen und sich
 und Lehrlinge. Hier kommen jetzt jede Woche Bürger ausführlich zu Wort  berufliche Probleme nicht
 mehr so zu Herzen nehmen.
 Das ergab einer Umfrage
 le. Viele junge Leute sind in ihnen   te sollen sich hier doch erholen.   des Marktforschungsinsti-
 engagiert, kommen sogar extra   Unser Hotel liegt herrlich gelegen   tuts Toluna.
 wegen des abwechslungsreichen   im Grünen, etwa achtzig Kilome-
 Dor
 Dorfl ebens nach der Ausbildung fl ebens nach der Ausbildung   ter vom Ruhrgebiet entfernt. Vie-
 oder dem Studium aus der Stadt   le Gäste kommen zu uns, um die
 Das freut   hierher zurück. Das ist eine Aus-  ländliche Umgebung zu genießen,   Das ärgert   Rosenkohl-
 mich  zeichnung für unsere Region. Au-  einen Gang herunterzuschalten.   mich  Hasser haben
 ßerdem kann man sagen, dass vie-  Wir gehen aus der Tür und ste-
 les hier etwas unbürokratischer   hen innerhalb von fünf Minuten   Gen-Mutation
 Ich fi nde, hier bei uns im Dorf h fi nde, hier bei uns im Dorf   läuft, weil man sich – auch oft Leu-  im Wald. Der Sorpesee ist auch   Was uns Schwierigkeiten macht,
 spürt man einfach den Zusam-  te, die Funktionen und Ämter ha-  nicht weit, das ist herrlich. Bis jetzt   ist die ärztliche Versorgung auf   Hamilton – Ob jemand Ro-n – Ob jemand Ro-
 menhalt unter den Leuten. Das   ben – eben kennt. Wenn man Hil-  haben die Politiker es schwer, sich   dem  Land. Kliniken schließen,   senkohl mag oder hasst,
 freut mich sehr. Klar, wir sind auf   fe braucht, fällt einem meist schnell   mit der Windkraft zu einigen, die   Hausärzte  werden  weniger,  liegt in seinen Genen. Das
 dem Land, das ist vielleicht an-  jemand ein, der einen unterstützt.  Sache wandert durch die Instan-  Rettungsdienste  werden  ein-  ist das Ergebnis kanadi-
 ders als in der Stadt, eher nicht so   zen. Bei den Stammtischen in un-  geschränkt und für Facharzt-  scher Forscher der Mac-
 anonym. Auch gibt es im Vergleich   serer Wirtsstube wird das Thema   besuche müssen wir oft zwanzig   Master-Universität. Jeder
 zu anderen ländlichen Regionen   deswegen weiter heftig diskutiert,   Kilometer  oder  länger  fahren  –   Vierte hat eine Gen-Vari-
 ein paar wirklich bemerkenswer-  das beschäftigt die Leute richtig.   wenn es denn Termine gibt.  ante namens TAS3R38, die
 te Entwicklungen in unserem Dorf.  Fest steht, schöner würde unser   Das ist nicht einfach und wird   dafür sorgt, dass Bitter-
 Zum Beispiel hat unsere Gemein-  Dorf dadurch nicht.  wohl auch nicht mehr besser.  stoffe verstärkt wahrge-
 de, zusammen mit zwei anderen   Das macht mir   Ein anderes Problem ist der be-  Gerade kämpfen wir außerdem   nommen werden.
 mit
 der
 Dörfern, etwa 2000 Einwohner.   Sorgen  rufl  mit  der  Pfl
 rufl iche Nachwuchs. Das macht  iche Nachwuchs. Das macht
 Pfl egeversicherung.  egeversicherung.
 Trotzdem stellen wir etwa 1000   uns und vielen Gastronomie-Kol-  Meine Mutter (81) benötigt eine   Bleiben Sie anders.
 Arbeitsplätze für die Region. Das   legen  Sorgen.  Es  ist  momentan   höhere Einstufung in der Pfl ege-e Einstufung in der Pfl ege-  Darum klappt der
 sind enorm viele Jobs, viele in der   Ein aktuelles Problem ist, dass   schwer, Mitarbeiter zu fi nden. Wir zu fi nden. Wir   dienstleistung, aber das ist gar     Der neue Ford Edge fährt nicht einfach vor, er füllt die Straße mit seiner
 Papier- und Metallverarbeitung,   in unserer Region Windkrafträ-  inserieren in Lokalzeitungen, ver-  nicht so einfach. Wir haben  Party-Talk trotz   Präsenz. Denn unser größter und innovativster SUV fällt auf – nicht
 im Handwerk oder in der Gastro-  der aufgestellt werden sollen.  suchen es per Mund-zu-Mund-  zig Briefe geschrieben und Kon-  zuletzt dank seines unverwechselbar markanten Designs. Wir finden:
 nomie, so wie bei uns im Betrieb.   Das wird hier im Ort und im gan-  Propaganda. So etwas wie eine Re-  trollbesuche bekommen. Meine   lauter Musik  Anders sah nie besser aus.
 Da, wo man aus einer anderen Re-  zen Sauerland gerade heiß disku-  gelarbeitszeit gibt es bei uns in   Mutter hat jahrzehntelang in die
 gion oft weit fahren muss, haben   tiert. Die Politiker sagen, das sei   der Gastronomie natürlich nicht.   Versicherung eingezahlt. Jetzt,  Berkeley – Warum wir uns y – Warum wir uns
 wir gerade einen neuen Supermarkt   ökologisch sinnvoll und „sicherer“   Es ist kein 8.00-bis-17.00-Uhr-Job.   wo es an der Zeit ist, dass sie   auch auf einer lauten Sil-
 bekommen, der vielen Leuten läs-  Strom. Aber wer sagt denn, dass   Das wird ein Aspekt sein. Unsere   etwas  zurückbekommen  soll,  vester-Party verständigen
 tige Einkaufsfahrten verkürzt, äl-  das wirklich so ist? Die Leute ha-  Familie ist das gewohnt. Wenn an-  haben wir das Gefühl, dass sich   können, haben Forscher der
 teren Menschen das Besorgen von   ben Angst vor dieser „Versparge-  dere frei haben, müssen wir un-  dieser ganze bürokratische Appa-  Universität von Kalifornien
 Lebensmitteln sogar sehr erleich-  lung“. Angst, dass 200 Meter ho-  ser Geld verdienen. Zu Ostern, Sil-  rat nicht an den Bedürfnissen der   herausgefunden. Wenn un-
 tert. Auch unser Kindergarten wur-  he Windräder auf allen Bergen   vester oder Pfi ngsten. Unser Ho-er oder Pfi ngsten. Unser Ho-  Menschen orientiert. Ich weiß,   ser Gehör wegen Nebenge-
 de vergrößert und unsere Grund-  stehen und uns die Sicht nehmen.   tel hat 17 Zimmer, wir haben ein   dass viele bei uns im Ort damit   räuschen einzelne Worttei-
 schule in Eigenregie durch unsere   Außerdem sorgen sie sich um  Restaurant und Räume für Veran-  zu kämpfen haben. Das ist scha-  le nicht versteht, werden
 Dorfvereine erweitert.  Schattenwurf, Krach und Gesund-  staltungen wie Hochzeiten – da   de.  die fehlenden Daten auto-  FOTOS: DAVID KLAMMER, GETTY IMAGES
 Überhaupt spielen unsere Ver-  heitsrisiken. Für uns als Hotelbe-  haben wir eben häufi g viele Gäs- g viele Gäs-  Aufgezeichnet von   matisch vom Hörzentrum
 haben wir eben häufi
 eine hier im Dorf eine große Rol-  trieb wäre das nicht toll, die Leu-  te im Haus.  Chantal Schüler  im Gehirn aufgefüllt. Wel-
 che „Ersatzstücke“ das Ge-
 hirn benutzt, hängt von un-
 Was freut Sie, was ärgert Sie, was macht Ihnen Sorgen? Schreiben Sie an Klartext@bams.de
 seren Erfahrungen ab.
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