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KINDER, KINDER KINDER, KINDER
von Martina Weber, Foto: cristianstorto/Fotolia.com
Liebe Kinder,
„DIE“ Weihnachtsgeschichte ist natürlich die von Maria, Joseph,
Jesus, den Engeln und Hirten. Sie steht in der Bibel im Neuen Testa-
ment, im Lukasevangelium im zweiten Kapitel.
Wenn ihr Lust und Zeit habt, dann macht doch beim Krippenspiel
mit! Wann das stattfindet und wie ihr euch anmeldet, erfahrt ihr
auf der Seite 9 (die mit den Terminen).
Eine andere Weihnachtsgeschichte möchte ich euch nicht vorenthal-
ten, unser Magazin heißt ja: „Geflügeltes“, also erzähle ich euch jetzt
von der Weihnachtsgans Auguste.
DIE WEIHNACHTSGANS AUGUSTE
In einem Vorort von Wien lebten in der hungri- sondern nur, weil eben keine von ihnen die Gans im Wohnzimmer, warf sich auf das Sofa und ver-
gen Zeit nach dem Krieg zwei nette, alte Damen. schlachten wollte. „Du musst es tun“, sagte Aga- barg ihr Gesicht in den Händen. Emma eilte der
Damals war es noch schwer, sich für Weihnach- the, sprach‘s, stieg aus dem Bett, zog sich rasend Schwester nach und erklärte, es einfach nicht
ten einen wirklichen Festbraten zu verschaffen. rasch an, nahm die Einkaufstasche, überhörte tun zu können. Und dann beschloss man, nach-
Und nun hatte die eine der Damen die Möglich- den stürmischen Protest und verließ in gerade- dem es mittlerweile spät abend geworden war,
keit, auf dem Land – gegen allerlei Textilien - zu hässlicher Eile die Wohnung. das Ausnehmen der Gans auf den nächsten Tag
eine wohl noch magere, aber springlebendige Was sollte Emma tun? Sie murrte vor sich hin, zu verschieben.
Gans einzuhandeln. In einem Korb verpackt, dachte darüber nach, ob sie vielleicht einen Am zeitigen Morgen wurden Agathe und Emma
brachte Fräulein Agathe das Tier nach Hause. Nachbarn bitten sollte, der Gans den Garaus zu geweckt. Mit einem Ruck setzten sich die beiden
Und sofort begannen Agathe und ihre Schwes- machen, aber dann hätte man einen großen Teil Damen gleichzeitig im Bett auf und stierten mit
ter Emma das Tier zu füttern und zu pflegen.
von dem gebratenen Vogel abgeben müssen. Also aufgerissenen Augen und offenen Mündern auf
schritt Emma zur Tat, nicht ohne dabei wild zu die offene Küchentür. Herein spazierte, zärtlich
Die beiden Damen wohnten in einem Mietshaus schluchzen. schnatternd wie früher, wenn auch zitternd und
im zweiten Stock und niemand im Hause wusste, frierend, die gerupfte Gans.
dass in einem der Wohnräume der Schwestern Als Agathe nach geraumer Zeit wiederkehrte,
ein Federvieh hauste, das verwöhnt, gefüttert lag die Gans auf dem Küchentisch, ihr langer Bitte, es ist wirklich wahr und kommt noch bes-
und großgezogen wurde. Hals hing wehmütig pendelnd herunter. Blut ser!
war keines zu sehen, aber dafür alsbald zwei
Agathe und Emma beschlossen feierlich, keinem Als ich am Weihnachtsabend zu den beiden
einzigen Menschen jeweils davon zu sagen, aus liebe alte Damen, die sich heulend umschlungen Damen kam, um ihnen noch rasch zwei kleine
zweierlei Gründen: hielten. Päckchen zu bringen, kam mir ein vergnügt
Erstens gab es Neider, das sind Leute, die sich „Wie... wie....“, schluchzte Agathe, „hast du es ge- schnatterndes Tier entgegen, das ich nur wegen
keine Gans leisten können; zweitens wollten die macht?“ „Mit ... mit...Veronal“, wimmerte Emma. des Kopfes als Gans ansprechen konnte, denn das
beiden Damen nicht um die Welt mit irgendei- „Ich habe ihr einige deiner Schlaftabletten auf ganze Vieh steckte in einem liebevoll gestrick-
nem der nahen oder weiteren Verwandten die einmal gegeben, jetzt ist sie ...“, schluchzend, ten Pullover, den die beiden Damen hastig für
später möglicherweise nudelfett gewordene und „huhh... rupfen musst Du sie ... huh huh huh...“, so ihren Liebling gefertigt hatten.
dann gebratene Gans teilen. ging das Weinen und Schluchzen fort. Aber we- Die Pullovergans lebte noch weitere sieben Jahre
der Emma noch Agathe konnten sich dazu ent-
Deshalb empfingen die beiden Damen auch sechs schließen. und starb dann eines natürlichen Todes!
Wochen lang, bis zum 24. Dezember keinen ein-
zigen Besuch. Sie lebten nur für die Gans. In der Küche stand das leere Körbchen, keine
Gans mehr, kein schnatterndes „Guten Morgen“, Liebe Kinder,
Und so kam der Morgen des 23. Dezember heran. und so saßen die beiden eng umschlungen auf
Es war ein strahlender Wintertag. Die ahnungs- dem Sofa und schluchzten trostlos. Endlich raff- ich hoffe, dass euch die Geschichte gefallen
lose Gans stolzierte nichtsahnend und vergnügt te sich Agathe auf und begann, den noch war- hat, und wünsche euch ein schönes
von der Küche aus ihrem Körbchen in das Schlaf- men Vogel zu rupfen. Jahr 2018.
Weihnachtfest und alles Gute für das Neue
zimmer der beiden Schwestern und begrüsste Federchen um Federchen schwebte in einen Pa-
sie zärtlich schnatternd.
piersack, den die unentwegt weinende Emma Eure Pfarrerin Martina Weber
Die beiden Damen vermieden es, sich anzuse- hielt. Und dann sagte Agathe: „Du, Emma,
hen. Nicht, weil sie böse aufeinander waren, nimmst die Gans aus“ und verschwand blitzartig