Page 82 - DiVin022017
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Portugiesischer Wein ist vielfältig und attraktiv und dennoch für die meis- ten Weinfreunde hierzulande ein unbe- schriebenes Blatt. Das Land am Süd- westzipfel Europas erfreut sich eines eher milden Klimas mit teilweise hohen
Niederschlagsmengen und unterscheidet sich daher an vielen Stellen grundlegend von seinem großen östlichen Nachbarn. Doch das grüne Portugal macht nur einen Teil der kleinen Nation aus, die klimatisch auch ganz anders kann. Östlich der Hauptstadt Lissabon, nachdem man die grandiose Vasco-da Gama-Brücke über die Mündung des Tejo hinter sich gelassen hat, fährt man wieder den lichtdurch uteten Landschaften entgegen, die Iberien so einzigartig machen. Man nähert sich dem Alentejo, dem Land der Korkeichen, des Marmors und der schwarzen Schweine mit seinen berühmten Weinen und der besten Gastronomie Portugals.
Sterne über der Dachterrasse
Das Anbaugebiet ist mit dem Auto auf der Auto- bahn in Richtung Spanien in 90 Minuten bequem zu erreichen. Selbst auf dieser wichtigen Ost-west-achse ist kaum etwas los, der Verkehr rollt eher auf den mautfreien Nationalstraßen. Der Himmel ist makellos blau und das Auge ruht, denn das Alentejo ist leer, oder genauer gesagt nur spärlich besiedelt, weit entfernt von jeder verschmutzenden Industrie. Nur knapp eine halbe Million Portugiesen bevölkern diesen Landstrich, der etwa ein Drittel der Landesober ä- che einnimmt. Nicht umsonst haben die Bewohner der Region das „Sterne-Kucken“ miterfunden. Sie gehörten zu den ersten, die ihre Dörfer abdunkelten und die Touristen zwecks Milchstraßenbeschaus auf die Dachterrassen setzten.
Das Kalifornien Portugals
Kaum ein Anbaugebiet des Landes präsentiert sich geogra sch so ausgedehnt wie der Alentejo. Zwischen dem malerischen und touristisch fast nicht erschlossenen Küstenstreifen im Süd- westen mit seinen endlosen Stränden sowie der Grenze zu Spanien im Osten ist viel Platz für abwechslungsreiches Terroir. Aber auch die deutlich kühlere Nordseite mit dem Kleinstädt- chen Portalegre und den Ausläufern der Serra da São Mamede bietet exzellentes Weinbaupo- tenzial, welches nebenbei bemerkt noch lange nicht voll genutzt wird. Das Gebiet ist in weiten Teilen viel weniger vom Weinbau geprägt als von
den Kork- und Steineichenwäldern, und so mancher Weintourist mag sich fragen, wo denn eigentlich die wichtigen Zentren dieses Weinanbaugebietes liegen. Wohlgemerkt sind die Landschaften innerhalb der von der festgelegten DOP-Demarkationslinien nicht gleichzusetzen mit der Anbau äche, die sich gemessen an dem Bekanntheitsgrad des Gebie- tes mit rund 21.000 Hektar fast schon bescheiden ausmacht. Denn immerhin nimmt der Alentejo eine Schlüsselrolle in der portugiesischen Weinwirtschaft ein. Im Land selbst hält „das Kalifornien“ Portugals rund 45 Prozent Marktanteil und lässt selbst das einst so erfolgreiche Vinho-Verde-Gebiet auf den Märkten inzwischen blass aussehen. Es ist durchaus bemerkenswert, dass ausgerechnet eine Region mit einem sogenannten mediterranen Klima die por- tugiesische Qualitätsweinproduktion anführt, sind doch die Rahmenbedingungen des Alentejo nicht unbedingt typisch für Portugal. Eigentlich ist die Gegend ein Sonderfall. Sie erfüllt neben der Algarve und Teilen der Halbinsel Sétubal als eine der wenigen Landschaften des Landes landschaftlich und kli- matisch die Vorstellung vom trockenen Südeuropa. Diesen warmen Klimaverhältnissen angepasst sind natürlich die Weintypen. Selbstredend überwiegt die Rotweinproduktion bei Weitem. Das Alentejo steht einerseits für zugängliche, einfach zu trinkende würzig- und warmfruchtige Rotweine. Andererseits sorgt eine inzwischen zu einer ansehnlichen Truppe herangewachsene Erzeugerelite für eine Palette von komplexen, tiefgängigen und sicherlich auch mitunter kantigen Spitzengewächsen, wie man sie ihresgleichen in Südeuropa sucht. Paulo Laureano, Susana Esteban, der Journalist João Afonso und sein Cabecas-de-Reguengo-Projekt; Tapada de Coelheiros mit dem neu an den Start gegangenen Weinmacherstar Luis Patrao und viele andere zeichnen ein neues individuelles Bild der Erfolgsappellation im iberischen Südwesten.
Knapp 300 Güter bringen Weine aus der Region auf die Flasche und operieren auf zwei „Appella- tions-Ebenen“, deren Bezeichnungen den aufmerk- samen Weinfreund zunächst stutzen lässt. Doch kein Grund zur Sorge. Dem eigentlichen DOP-Rückeneti- kett der geschützten Herkunftsbezeichnung Alentejo ist die IGP-Bezeichnung Alentejano an Bedeutung und Qualität mindestens gleichzusetzten. Für den Weinfreund besteht zwischen DOP- und dem für Landwein stehenden IGP-Gütesiegel eigentlich kein Unterschied. Den Produzenten bietet diese Alternative indes ein großes Plus an Freiheit. Mit Rebsorten, die nicht im DOP-Regelwerk zugelassen sind, kann so auf IGP-Ebene gearbeitet werden.
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