Page 91 - DiVin092017
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ren noch Entzücken aus, während ein billiger Pinot Grigio nach wenigen Monaten welkt? Seltsam auch: Manche Weine durchlaufen für Jahre ei- nen Dornröschenschlaf der Ungenießbarkeit, be- vor sie plötzlich ein ungeheures Finish hinlegen.
Um all diese Rätsel zu ergründen, treten Scharen von Rebenkundlern, Önologen und Mikrobiologen zum Dienst an. Mit Öchslemessern, High-Performan- ce-Liquid-Chromatografen oder Geräten für die He- fegenetik versuchen sie, die DNA zu entschlüsseln.
Rund tausend Weinaromen sind mittlerwei- le bekannt. Milchsäurebakterien, Sonnenstrah- len und Terroir wirken auf die Güte des Getränks. Manche Winzer schwören auf tief verwurzel- te Rebstöcke. Andere p ücken die Trauben bei Vollmond. Oder sie nutzen, wie der Besitzer der Domaine Romanée-Conti im Burgund – der teuers- ten Weinlage der Welt –, einen Gärbottich von 1862.
Der Trunk des Dionysos gibt seine Geheim- nisse allerdings nur langsam preis. Beispiel: Der neue Decodierungsstar der Zunft, Axel Mar- schall, spürt an der Weinforschungsanstalt ISVV in Südfrankreich der Frage nach, wieso bestimmte Bordeaux-Weine eine süßliche Note ausbilden, ob-
Nur, wieso kann Rebensaft überhaupt reifen?
wohl sie gar keinen Zucker enthalten. Seine Ver- mutung: Es muss „unentdeckte Moleküle geben, die diesen Geschmack erzeugen“. Nur welche?
6400 stof iche Verbindungen wurden bei der Analyse eines Merlots entdeckt – die Hälfte da- von war den Biochemikern bis dahin unbekannt.
Auch das Modewort „Mineralität“ bereitet Kopf- zerbrechen. Sommeliers fühlen sich bei der De- gustation edler Tropfen zuweilen an Schiefer, Feuer- stein oder „nasse Felsen“ erinnert. Ein Labor in Rioja entdeckte kürzlich, dass derlei „erdige“ Gärproduk- te Bernsteinsäure enthalten, die salzig schmeckt.
Doch in den erdigen Weinen steckt vor al- lem viel Phenylethylalkohol und Decalacton. Diese Stoffe riechen nach Rosenblüten oder auch P rsich. Warum sie das Emp nden von Mineralität auslösen, weiß bislang niemand.
Immerhin: Zum Thema Lagerung liegen inzwischen handfeste Ergebnisse vor. Dass die Pullen in feuch- ten Kellern im Regal liegen müssen, ist ein Märchen. Die Hochschule Geisenheim hat einen Langzeit- versuch mit aufrecht stehenden Flaschen durch- geführt. „Der Korken bleibt auch elastisch, wenn er nicht umspült wird“, erklärt der Önologe Rainer Jung, „es reicht die Luftfeuchte im Flaschenhals.“
© Deutsches Weininstitut (DWI)
It is also strange that some wines slumber for ye- ars being undrinkable before they suddenly develop a tremendous  nish.
The multitudes of vine-growers, oenologists, and microbiologists are ready to tackle all these puzz- les.. They try to decrypt the DNA using oechslme- ters, high-performance liquid chromatographs, or devices for yeast genetics.
We now know of around a thousand wine aromas. Lactic acid bacteria, sun rays, and terroir affect the quality of the beverage. Some winemakers swear by deep-rooted vines. Others pick grapes at full moon. Or, like the owner of the Domaine Romanée-Conti in Burgundy - the most expensive wine-growing area in the world - they use a fermenting vat from 1862.
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