Page 27 - Leinen los! 11/2023
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dessen Namensgeber wichtiger Außen- politiker der Demokratischen Partei war. Es untersteht dem US-Außenministerium und dient als organisatorischer Muskel für zahlreiche Gastwissenschaftler aus aller Welt, die für eine gewisse Zeit in die USA gehen, um dort zu lehren und zu forschen. Das Land hat in vielen Wis- senschaftsbereichen noch immer eine ungeheure Anziehungskraft für Akade- mikerinnen und Akademiker. Unversehens und zu guter Letzt trat der Verfasser dieser Zeilen als erster McCain- Fulbright-Gastprofessor damit auch in die Fußstapfen von niemandem gerin- geren als Harrison Ford, der in der Tom- Clancy-Verfilmung „Die Stunde der Pa- trioten“ (1992) als Historiker an ebenje- ner USNA lehrt und in einer berühmten Szene an der Wache des Stützpunkts von einem als Jogger getarnten Atten- täter attackiert wird. Aufgrund der bio- graphischen und beruflichen Parallelen zwischen Filmfigur und Autor war der Spitzname „Sebastian Bruns ist Deutsch- lands Jack Ryan“ schnell geboren, wie- wohl mir im Laufe des Aufenthalts von den Militärprofessoren, überwiegend Marineflieger, auch ein zünftiges „Call Sign“ verpasst wurde.
Zugegeben, mein Aufenthalt war nicht annähernd so gefährlich wie der des fik- tionalen Prof. Ryan. Ein Programm auf Jungfernfahrt zu kommandieren, war allerdings eine gewaltige, durch Pande- mie und explodierende Lebenshaltungs- kosten beispiellos verkomplizierte Her- ausforderung. Bei solch einem Aben- teuer macht man selbstverständlich vie- les zum ersten Mal, nimmt einiges in Kauf und versucht, dem mit vielen Vorschuss- lorbeeren versehenen Lehrstuhl gerecht
zu werden und ihn bestenfalls als Anker für sicherheitspolitische Forschung zu etablieren. Im Mahlstrom der exorbitan- ten amerikanischen Militärbürokratie – und im Organigramm der USNA – waren jedoch schlichtweg weder Zuständigkeit noch Budget für den McCain-Fulbright- Professor vorgesehen.
Das war nicht nur unliebsame Überra- schung und persönliche Enttäuschung zugleich, sondern schuf an diesem Punkt der beruflichen Laufbahn bereits über- wunden geglaubte Probleme beim Fin- den einer bezahlbaren und angemes- senen Bleibe. Annapolis zählt leider zu einer der teuersten Gegenden des Lan- des – mit geradezu traditioneller Woh- nungsknappheit. Nicht weniger als acht Umzüge zwischen sechs verschiedenen Unterkünften, darunter Hotels, Gäste- zimmer und auch eine ungeheizte Kel- lerwohnung stehen daher rückblickend zu Buche. Vonseiten der Akademie fand weder eine rechtzeitige Einarbeitung in die Lehre noch in die komplizierten Abläufe des militärischen Dienstbetriebs statt. Selbst unter Berücksichtigung der Folgen der Coronapandemie blieb Stückwerk allenthalben: Weder bekam ich je vollständigen Zugang zum digita- len Benotungssystem für die Midship- men noch gelangte ich auf die Radar- schirme – oder wenigstens die E-Mail- Verteiler – des International Programs Office, das für internationale Studieren- denkontakte (nicht aber internationale Lehrende) zuständig zeichnet. Auch die Leitung der Hochschule unternahm nie den ernsthaften Versuch, mich oder das Programm einzubinden. So blieb ich bei vielen Tätigkeiten und Veran- staltungen schlichtweg außen vor, sei
Interkultureller Austausch – Sebastian Bruns führt seine Studierenden in die Tradition des „Seemannssonntags“ ein
Mensch.Schifffahrt.Meer.
Noon Formation – Appell der Midshipmen vor dem Mittagessen vor Bancroft Hall
es, weil ich auch auf Nachfragen nie auf die entsprechenden Einladungsvertei- ler gelangte (etwa für legendäre Garten- partys des Kommandeurs). Der Besuch eines vor Annapolis auf Reede liegenden Angriffs-U-Boots scheiterte an meiner Staatsbürgerschaft und der vermutlich noch immer laufenden Sicherheitsüber- prüfung. Von einer Exkursion auf einen Flugzeugträger vor Norfolk wurde ich ohne Rücksprache ausgeschlossen, weil für mich keine Kostenstelle an der Aca- demy ausgewiesen war.
Zuletzt sah der aufgeblähte US(NA)-Mili- täretat nicht einen Cent für im Vorfeld angepriesene Reisetätigkeiten vor. Die knappen monatlichen Ressourcen wur- den allein durch das US-Außenministe- rium gestellt, sodass im Kollegenkreis gar der Gedanke lanciert wurde, mir ihre Flug-Bonusmeilen zu spenden. An diesem Punkt – nach exakt 100 Tagen – wandte ich mich an die Fulbright-Orga-
Deutsches Duo: Sebastian Bruns mit Fregattenkapitän Matze Reinfeld, der an der Marineakademie deutsche Sprache und Kultur lehrt
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