Page 26 - Leinen los! 11/2023
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Mensch.Schifffahrt.Meer.
Als Gastprofessor an der US-Marineakademie
Sebastian Bruns
John McCain. William Fulbright. Harrison Ford. Diese Herren umreißen die Erlebnisse des Verfassers dieser Zeilen als erster Distinguished Visiting Professor an der US-Marineakademie. Wie kommt es dazu?
Annapolis, Hauptstadt des Bundes- staates Maryland, ist seit über 175 Jahren Heimat der United States Naval Academy (USNA). Hier werden die Offi- ziere der US Navy (Marine) und des US Marine Corps (Marineinfanterie) ausge- bildet und geformt. Zwar lässt sich die Marineoffzierlaufbahn auch auf anderen Wegen einschlagen, die Ausbildung an der USNA aber ist sicher am höchsten angesehen. Anders als an zivilen Uni- versitäten mit ihren teils exorbitanten Studiengebühren ist das Studium an der Marineschule kostenlos. Allerdings kann man sich nicht einfach bewerben, sondern muss ein umfangreiches Verfah- ren durchlaufen, das u.a. die Nominie- rung durch den zuständigen Kongress- abgeordneten oder ehemaligen Flagg- offizieren beinhaltet. Ferner braucht es einen Lebenslauf, der bereits zivilgesell- schaftliches und soziales Engagement, sehr gute Schulnoten und vieles mehr aufweist. Haben die Kandidatinnen und
Kandidaten dann die Zulassung erhalten, beginnt eine intensive vierjährige Zeit. Pro Jahr werden gut 1000 Offizieranwär- ter zugelassen, die alle auf dem Campus wohnen müssen. Die militärische Erzie- hung an der Academy – moralisch, men-
tal, körperlich – wird ergänzt durch die wissenschaftliche Ausbildung, denn das Motto der Akademie lautet „Ex scientia tridens“, oder: „Aus Wissenschaft See- macht“. Im Herbst 2021 waren 71 % der Studierenden männlich, 29 % weiblich. Auch der eingangs erwähnte John McCain – aus einer Familie mit großer amerikanischer Marinetradition stam- mend – war einst in „Naptown“ zu Hause. Er wurde zum Marineflieger ausgebildet und geriet im Vietnamkrieg in mehrjäh- rige Kriegsgefangenschaft. Nach seiner vielbeachteten Freilassung begann seine Karriere als republikanischer Senator, US- Präsidentschaftskandidat und moralisch gefestigter Sicherheitspolitiker, der sich stark für die internationalen Beziehungen und die transatlantische Sicherheitspart- nerschaft einsetzte – und gegen die iso- lationistischen und antidemokratischen Fantasien eines Donald Trump.
Nach McCains Tod (2018) entschloss man sich, ein Programm aufzulegen, das renommierte Gastwissenschaft- ler nach Annapolis bringt, um Midship- men – Kadetten sind nur die Studieren- den von Heer und Luftwaffe! – im Fach Politikwissenschaft zu unterrichten. Im Geiste von McCains Wirken sollten die internationalen Beziehungen und sicher- heitspolitischen Hotspots der nächsten Generation von Studierenden näher- gebracht werden. Im maritimen Zusam- menhang hieß das: Wie setzen Amerika, seine Alliierten, aber auch die strategi- schen Rivalen ihre Seestreitkräfte ein? Gerade Marinen sind schließlich nicht nur militärisches, sondern auch diplo- matisches Instrument im Werkzeugkas- ten eines Staates. Die US-Marine erfüllt damit eine Funktion, die eine strategi- sche Sensibilisierung ihrer Offiziere gera- dezu zwingend notwendig macht. Kein Vehikel böte sich da besser an als das seit 1946 bestehende Fulbright-Programm,
Die Bancroft Hall ist das Unterkunftsgebäude für über 4000 Midshipmen
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Fotos: Sebastian Bruns


































































































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