Page 31 - Leinen los! 11/2023
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ralda und die libertad für kurze Zeit aus der Nähe bewundern.
An 8. Juli war die gOrch FOck klar zum Auslaufen. Nach einem letzten Blick auf das Inselparadies ging es mithilfe des „Jockels“, sprich des Hilfsmotors, hinaus aufs Meer, wobei das anschließende erste Segeln zum Leidwesen der Schüler bald vom Farbewaschen abgelöst wurde. Am 10. Juli gab es endlich günstigere Wind- verhältnisse und nach getaner Arbeit sogar „Besanschot an“ und eine freund- liche Ansprache des Kommandanten. Am 11. Juli 1964 schließlich erreichte die Bark New York. Nach einem Bordbesuch des deutschen Konsuls in der Graves- end Bay lichtete sie am 14. Juli Anker, um im Konvoi mit den anderen Großseglern den Hudson River hinaufzufahren. Nie- mand Geringeres als der US-Verteidi- gungsminister nahm die Großseglerpa- rade ab, für die in Galauniform gezwäng- ten Kadetten dürfte indes die anschlie- ßende Stadtführung mit Abstechern nach Chinatown, zum Central Park und zum UNO-Gebäude weitaus interessan- ter gewesen sein. Nach einem Empfang beim deutschen Botschafter besuchte man in den nächsten Tagen noch die United States Merchant Naval Academy in King`s Point, den Badestrand Jones Beach und die New Yorker Weltausstel- lung, bevor die Bark New York am 20. Juli wieder verließ. Ihr Amerikabesuch war damit aber noch nicht beendet. Vom 21. bis 29. Juli schloss sich noch ein Besuch von New London, Connecticut, an, wobei sowohl Mystic Seaport als auch die Coast Guard Academy und die Submarine Base auf dem Programm standen.
Am 29. Juli um 18 Uhr war der Großseg- ler schließlich „seeklar“. Nach einem letzten Landgang auf amerikanischem Boden begann für die Schüler wieder
die anstrengende Ausbildungsroutine, umso mehr freuten sie sich auf die Erleb- nisse, die noch vor ihnen lagen. Der Kom- mandant plante nämlich, an Nova Scotia vorbei in den St. Lawrence-Golf einzufah- ren, die Belle-Isle-Straße zu passieren und dann auf Grönland zuzuhalten. Bis dahin musste aber noch einiges geleistet wer- den. Auf dem Lehrprogramm standen Kartenkunde, Spleißen, Kursrechnen und Winkern, zudem musste Geophy- sik gebüffelt und wegen der Uhrenum- stellung auf eine Stunde Nachtruhe ver- zichtet werden. Ein Trost waren die faszi- nierenden Naturschauspiele, die sich in den nächsten Tagen boten. Als die gOrch FOck am 3. August in die Labradorsee ein- fuhr, sah der Logbuchschreiber zum ers- ten Mal in seinem Leben Nordlicht. Auch sichtete er Wale und Eisberge und freute sich an der einsamen Schönheit der pola- ren Welt. `
Doch war die Fahrt keine Vergnügungs- reise. Der Unterricht stand stets im Vor- dergrund, auch dann noch, als am Abend des 5. August aufgrund eines herannah- enden Sturmtiefs der „Kriegsmarsch- verschlusszustand“ befohlen wurde. Die Maßnahme war nur allzu gerechtfertigt, geriet das Schiff doch am Folgetag in ein heftiges Unwetter, das nach Auskunft des Logbuchschreibers nicht nur „Leichen“ in allen Ecken herumliegen ließ, sondern obendrein einen Schüler dazu veran- lasste, sich in einen Topf voller Stampf- kartoffeln zu übergeben. Der Sturm hielt zwei Tage an, dann flaute er allmählich ab, sodass man dem Wetterschiff bravO zwischen Neufundland und Cap Farewell einen Besuch abstatten konnte. Die Prog- nosen der dortigen Wetterfrösche waren jedoch nicht gerade günstig, sodass Kommandant Engel beschloss, anstatt Julianehåb Cap Farewell anzusteuern,
um von dort Kurs auf Island zu nehmen. Am 9. August morgens schließlich zeigte sich die Küste Grönlands. Der Anblick erfreute die Neulinge an Bord ebenso wie die Tatsache, dass der Kommandant vor Cap Farewell einen Kutter aussetzen ließ, um Fotos des Schiffes in arktischer Umge- bung zu knipsen. Wenig später wurde die Reise fortgesetzt. Sie führte durch das neblige Übergangsgebiet von Labra- dorsee und Golfstrom nach der isländi- schen Hafenstadt Hafnarfjördur, in welche man am 16. August einlief. Nach einem Schausegeln für die Bevölkerung folgte eine Stadtbesichtigung für die Kadetten, die jedoch wie ein Besuch Reykjaviks auf- grund mangelnder Attraktionen enttäu- schend ausfiel. Ein weitaus positiveres Echo fand eine Rundfahrt durchs Lan- desinnere am 18. August. Hierbei konn- ten dampfende Geysire und der Gullfoss- Wasserfall bewundert werden, sodass bei der Abreise am 19. August heitere Stim- mung herrschte, zumal eine Lokalzeitung wohlwollend über den Besuch der gOrch FOck berichtet hatte.
Geschichte
Eine Zeitung auf den Bermudas berich- tet über den Besuch der Bark
Am 20. August war man wieder auf See. Das Schiff passierte die vor den Westman Islands (Vestmannaeyjar) neu entstan- dene Vulkaninsel Surtsey, am 21. August hatte man besonders guten Wind, sodass das Schiff bei einer Geschwindigkeit von 12 bis 13 kn und aufgegeiten Obersegeln ein Tages-Etmal von 268 sm erreichte. Am 24. August näherte sich die Bark bereits ihrem nächsten Reiseziel Irland, doch scheiterten zunächst alle Versuche, das Schiff um die irische Südküste herumzu- bekommen. Am 25. August gelang das Manöver schließlich doch, sodass man drei Tage später in den Hafen von Dub-
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