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Deutsche Marine
Alles, was schwimmt und fliegt, geht raus
Die Deutsche Marine nach der Zeitenwende –
Im Spannungsfeld von Verteidigung und Krisenmanagement
Jan Christian Kaack
Nach der Begrüßung der Ehrengäste und einem Dankeschön für das prominente Forum an die Veranstalter des Deutschen Schifffahrtstages 2022 in Bremen, Deutscher Nautischer Verein, Deutscher Marinebund und Ver- band Deutscher Reeder, stieg der Inspekteur der Marine in seinen Vortrag ein. Es gilt das gesprochene Wort.
Wenn Sie in den letzten Tagen in die Zeitungen schauen oder die sozialen Medien scannen, so ist doch alles voll vom Thema maritime Sicherheit und Kritische maritime Infrastruktur und den sich aus den Explosionen bei Nord- stream 1 und 2 ergebenden Fragen. Wir, die Marine und unser Exzellenzzentrum für küstennahe Operationen schauen
chen und auch dem Thema „Seesicher- heitsgesetz" wieder Raum zu geben. Das Maritime ist wieder in aller Munde. End- lich, möchte ich sagen! Auslöser war hier aber natürlich der 24. Februar, der uns allen vor Augen geführt hat, dass Krieg in Europa wieder möglich ist. Mir hat es aber auch gezeigt, dass der Wille man- gelnde Fähigkeiten auszugleichen ver- mag. Es kommt also auf die Menschen an. Und der Marine hat es gezeigt, dass wir uns wieder mehr unserem Kernge- schäft, dem Schutz Deutschlands und seiner Freunde widmen müssen. Und das haben wir getan – und wir tun es weiter!
Es fehlt an Sichtbarkeit
In den letzten Jahren hatte ich den Ein- druck, dass wir mit sicherheitspoliti- schen Themen nicht wirklich in die breite Gesellschaft durchdringen und sprich- wörtlich einem höflichen Desinteresse gegenüberstehen, wie es einstmals Bun- despräsident Roman Herzog formulierte. Insbesondere die Aufgaben der Deut- sche Marine werden sehr diffus aufge- nommen. Uns fehlt es an Sichtbarkeit. Wir sind eben nur in der Küstenregion präsent, und obwohl wir weit überdurch- schnittlich zur Erfüllung der mandatier- ten Einsätze beigetragen haben, spricht man eher von Mali und Afghanistan als über die Ägäis, den Libanon oder das Horn von Afrika. Wir sind weltweit im Ein- satz, wirken professionell und geräusch- los, aber eben unterhalb der allgemei- nen Wahrnehmungsschwelle.
Das hat sich mit dem 24. Februar und dem Überfall auf die Ukraine deutlich verändert. Die Feststellung, dass ein Krieg mitten in Europa wieder möglich ist, hat die Bedeutung der Streitkräfte
und mit ihnen die der Deutschen Marine wieder in das allgemeine Bewusstsein gerückt.
In seiner Zeitenwenderede hat Bun- deskanzler Scholz auf die geänderte Sicherheitslage mit Wucht reagiert und das Sondervermögen für die Bundes- wehr und eine Verstetigung des Vertei- digungshaushaltes auf 2 % des Bruttoin- landsprodukts (BIP) angekündigt.
Hart Ruder legen
Das ist eine große Verantwortung, die uns aufgeladen wurde und der wir uns mit ganzer Kraft stellen. Während wir uns nach der Annexion der Krim 2014 langsam in Richtung Landesverteidigung/Bündnis- verteidigung bewegt haben, müssen wir spätestens jetzt hart Ruder legen und uns
Diese Broschüre wurde in Bremen verteilt
Admiral Kaack beim Deutschen Schifffahrtstag in Bremen
bereits seit vielen Jahren auf diese The- matik, seine rechtlichen, sicherheitstech- nischen und organisatorischen Heraus- forderungen. Wir haben hier ein klares Lagebild dessen, was möglich und – das möchte ich betonen – nicht wünschens- wert ist. Noch vor wenigen Wochen habe ich meine Ministerin hierzu gebrieft und u.a. auch auf die Gefahren für die deut- schen LNG-Terminals hingewiesen. Angeregt habe ich, erneut über Zustän- digkeiten und Zusammenarbeit mit nicht-militärischen Akteuren zu spre-
12 Leinen los! 12/2022
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Foto: DMB/Annika Schmidt