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Deutsche Marine
Das Exzellenzzentrum für küstennahe Operationen in Kiel
Absicht 2022
Wo sehe ich uns als Marine in fünf Jah- ren? In meiner Absicht 2022 habe ich dafür drei Bereiche identifiziert: schlagkräftige Kampfgemeinschaft, verantwortungsvol- ler Partner und intakte Familie. Unter der Überschrift verantwortungsvoller Partner habe ich subsumiert, was unsere internati- onalen Partner von uns erwarten und was wir beitragen wollen. Wir sind unserer- seits bereit, Verantwortung zu überneh- men und haben unseren Partnern und der Nato signalisiert, dass wir – wenn erfor- derlich – regional eine Führungsrolle übernehmen können. In diesem Kontext sage ich gerne, wir sind „Ready to com- mand, if required!“ Eine Option ist der Aufbau eines Regional Maritime Head- quarter for the Baltic, welches wir in Ros- tock mit unseren bereits vorhandenen Mitteln realisieren können, um der Nato unsere Expertise in geeigneter Weise zur Verfügung zu stellen.
Wir wollen aber auch den 360-Grad- Blick behalten. Das Beispiel der Ent- sendung der bAyern in den lndo-Pazi- fik zeigt, dass die Deutsche Marine ein vielseitig einsetzbares Instrument ist. Wir können politische Schwerpunktset- zungen mit wenig Aufwand, maximaler Aufmerksamkeit und dazu meist noch im hoheitsfreien Raum der hohen See demonstrieren. Dem potenziellen Geg- ner ebenso wie dem in Bedrängnis ste- henden Alliierten und Wertepartner. Wir reagieren schnell auf Krisen und Katas- trophen weltweit, unterstützen auf dip- lomatischer Ebene Staatsbesuche, sind bei internationalen Krisen bereits vor der Eskalation in den „neutralen“ Gewässern vor Ort, befreien Geiseln mit Spezialkräf- ten oder tragen zu Evakuierungsopera- tionen bei. Darüber hinaus symbolisie- ren wir Abschreckung – Deterrence – und Durchsetzungsvermögen.
Schlagkräftige Kampfgemein- schaft – verantwortungsvoller Partner
Den besonderen Schwerpunkt sehe ich unter dem Begriff „Schlagkräftige Kampfgemeinschaft“. Nur wenn wir – gemeinsam mit unseren Bündnispart- nern – besser sind als mögliche Gegner, können wir glaubhaft abschrecken. Nur so bleibt der Ausgang einer möglichen Konfrontation für den Gegner unbere- chenbar. Um dies zu erreichen, werden wir in allen Bereichen, Instandhaltung, operati- ves Tempo, Personal und Ausbildung, und orientiert an den Bedürfnissen der Flotte, unsere bisherigen Lösungen und Prozesse auf den Prüfstand stellen und da, wo wir effektive Verbesserungen schnell errei- chen können, unmittelbar handeln. [...] Dabei macht mich die Ankündigung einer umfassenden Reform von Strukturen, Pro- zessen und Verfahren sowie die zu erwar- tende nachhaltige finanzielle Unterfüt- terung der Bundeswehr vorsichtig opti- mistisch, dass wir substanzielle Verbesse- rungen für die Marine erreichen können. Aber auch hier wird der Erfolg ganz ent- scheidend von unserem Willen und unse- rer Bereitschaft abhängen, diesen Weg beherzt und konstruktiv mitzugehen. Wir drehen dazu gerade jeden Stein um, damit wir besser und schneller werden. Ohne externe Hilfe wird es aber nicht gehen: Die Stichworte sind Flexibilisie- rung der Einsätze, Einhalten von Zertifi- zierungsstandards als Grundlage einer verantwortbaren Entsendung unserer Männer und Frauen in Einsätze sowie die signifikante Verbesserung des Instand- haltungssystems unserer Einheiten. Dies bedingt eine Neubetrachtung der Ein- sätze im Mittelmeer und damit einherge-
Fregatte SAchSen
in norwegischen Gewässern
hend deren Flexibilisierung beziehungs- weise Beendigung. Es bedeutet auch, als Grundlage für den Einsatz unserer Einheiten nur eine Zertifizierungshöhe „gefechtsbereit“ zu akzeptieren. Dafür hat mir der Generalinspekteur grünes Licht gegeben, und wir sind dabei, erste vorsichtige Schritte dafür zu gehen. Dar- über hinaus wird die Zukunft der Einsätze derzeit in der Politik diskutiert.
Im Bereich der Instandhaltung meiner Schiffe und Boote bin ich als Inspekteur zwar für das Bereitstellen einsatzbereiter Kräfte zuständig, stehe aber nur am Spiel- feldrand und habe keinerlei Möglichkei- ten der Steuerung und Priorisierung, da die Instandhaltungsverantwortung in einem anderen Bereich der Bundeswehr verortet ist, dem Ausrüstungsamt BAAINBw. Und deshalb erlaube ich mir jetzt mal ein Plä- doyer für eine Dienststelle eines anderen Organisationsbereichs, unser Marinearse- nal – steht Marine drauf, ist aber BAAINBw drin. Als Schlüssel für die Einsatzbereit- schaft unserer Einheiten bedarf es aus mei- ner Perspektive einer signifikanten Stär- kung, damit wir kurz- und mittelfristig für die Politik verantwortbar wirken können. Der Kauf des neuen Marinearsenals (Warnow- werft) war daher aus meiner Sicht der ent- scheidende und notwendige Schritt, um die Einsatzbereitschaft der Flotte nachhaltig und perspektivisch zu verbessern. Gerade vor dem Hintergrund der neuen strategi- schen Herausforderungen unserer Heimat- region. Auch unsere Partner werden davon profitieren können. Um es klar auszuspre- chen: ohne eine substanzielle Stärkung der lnstandsetzungskapazitäten ist ein Turn- around in der dauerhaften Einsatzfähig- keit der Marine nicht möglich. Eben diesen Wendepunkt braucht die Deutsche Marine aber so schnell wie möglich.
14 Leinen los! 12/2022
Foto: Bundeswehr/ Gottschalk
Foto: Bundeswehr