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Deutsche Marine
auf die Verteidigung des Bündnisgebie- tes konzentrieren. Nach drei Jahrzehnten, in der wir die Bundeswehr konsequent für das internationale Krisenmanagement optimiert haben, ist diese Aufgabe alles andere als trivial. Das gilt insbesondere für die Marine. Ich muss in diesem Kreis nicht erklären, dass sich Schiffe und Flugzeuge nicht in kurzer Zeit beschaffen lassen, aber wenn sie dann mal da sind, jahrzehnte- lang im Einsatz bleiben. Auch eine Füh- rungskraft oder ein Spezialist ist für uns nicht marktverfügbar, sondern muss jah- relang in einem geschlossenen Personal- körper entwickelt werden. Die angespro- chene Hartruderlage führt deshalb auch bei „Maschine alle Große“ nur zeitverzö- gert zu einer Kursänderung. Deshalb ist es essenziell, so schnell wie möglich den Sollkurs zu bestimmen und den Dreh- kreis auszurechnen, Aus diesem Grund habe ich im April [...] die ABSICHT 2022 veröffentlicht. Ich werde die Deutsche Marine zukünftig konsequent an der Lan- des- und Bündnisverteidigung ausrich- ten und dabei insbesondere darauf ach- ten, auf welche Bedrohungen wir mögli- cherweise reagieren können müssen. Es gilt jetzt, schnell greifbare Ergebnisse zu erzielen, die sich auf unsere Frauen und Männer in See, an Land und in der Luft merkbar auswirken. Die Leitgedanken dieser Absicht möchte ich im Weiteren mit Ihnen teilen.
Nicht während unserer Wache
Doch lassen Sie mich zuvor einen kurzen Blick auf die strategische Ausgangslage werfen. Als Reaktion auf den 24. Feb- ruar haben wir konsequent reagiert und wirklich alles, was fahren konnte, in See geschickt. Das waren insgesamt 28 Ein- heiten, die Hälfte der Flotte und fast 95 % der Schiffe, die nicht in der Werft waren. Das Motto war: Alles, was schwimmt und fliegt, geht raus. Ich bin noch heute stolz auf die Haltung unserer Männer und Frauen, Soldaten und Soldatinnen, die dies in einem Kraftakt möglich gemacht haben. Unter dem Motto, „Nicht während unserer Wache“, haben wir Bündnissoli- darität und Wachsamkeit demonstriert. Wir haben gezeigt: „Nicht mit uns, Herr Putin!“ Wir beobachten genau, was Sie treiben und haben die notwendige Ant- wort parat. Auch unsere Partner in der Ostsee, allen voran die baltischen Län- der haben das mit großem Wohlwollen beobachtet. Dazu haben wir mit unserem
Operationskonzept BALTIC GUARD Füh- rung übernommen, und aus dem Stand ein neues Instrument geschaffen, das uns ermöglicht, Aktivitäten und Kräfte primär in der Ostsee nach Raum und Zeit zu koordinieren sowie Übungsak- tivitäten zu starten. Sogar die US Navy hat aktiv mitgemacht. Sie sehen, wir sind wach und aktiv. Dieser All-in-Ansatz war natürlich nicht durchhaltefähig, hat aber gleichwohl die gewünschte Wirkung entfaltet. Sicher stand nicht auf Putins Masterplan, dass die lange totgesagte
quasi auch die Geografie in der Ostsee signifikant ändern. Die freie Nutzung der Ostsee für den Seehandel ist für die neuen Partner wie auch die baltischen Staaten essenziell. Und im Oblast Kalinin- grad existieren militärische Fähigkeiten, die das einschränken oder unterbinden können. Und dass Russland gerne mal den „Spoiler“ spielt, ist ja hinreichend bekannt.
Beim Stichwort Russland erlauben Sie mir einen Sidestep. Wir gehen davon aus, dass die russische Marine weitge-
Fregatte BAyern verlässt den Heimathafen mit Kurs Indo-Pazifik
Nato in kürzester Zeit eine neue Strahl- kraft entwickelt und sich nach dem Nato- Gipfel in Madrid komplett neu aufstellt. Mit dem dort beschlossenen Nato New Force Model hat Deutschland sich ver- pflichtet, seine assignierten Kräfte zu ver- doppeln und mehr regionale Führung zu übernehmen. Für uns heißt das, ab 2025 allein bis zu 15 Schiffe und Boote jeder- zeit einsatzklar zur Verfügung zu halten. Unser vorrangiger Einsatzraum ist dabei die gesamte Nato-Nordflanke mit den wichtigen Seeverbindungswegen von den USA nach Deutschland und weiter nach Finnland und ins Baltikum. Aber auch das Abriegeln in der Nordnorwe- gensee. Darauf stellen wir uns in Aus- rüstung, Ausbildung und Übungsbetei- ligung ein! Ein wirklich sehr ambitionier- tes Ziel, dem wir uns verpflichtet haben und das uns noch viel Kraft kosten wird. Auch vor unserer Haustür gibt es große Änderungen. Der Nato-Beitritt Finn- lands und Schwedens ist ein strategi- scher Wendepunkt in der Ostsee. Die Ostsee ist und bleibt ein Brennpunkt an der Nordflanke der Nato. Durch den Beitritt wird sich das Kräfteverhältnis und
hend unbeschadet aus diesem Krieg her- vorgeht. Damit wird sie noch an Bedeu- tung gewinnen. Das wird auch in der, am Rande des diesjährigen russischen Mari- negeburtstags durch Putin erlassenen neuen Marinedoktrin deutlich. Diese Doktrin beschreibt die aktuelle russi- sche Bedrohungsperzeption und die nationalen Ambitionen in einem verän- derten sicherheitspolitischen Umfeld. Die Seestreitkräfte mit ihrem Fähigkeits- spektrum sind für Russland nach unserer Bewertung künftig eine der wenigen ver- bleibenden Optionen globaler Macht- projektion.
Zurück zu uns – die Deutsche Marine ver- fügt als größte Nato-Ostseemarine über herausragende regionale Expertise und die umfassende Fähigkeit zur Aufklärung des gesamten Operationsraumes über und unter Wasser. Wir haben auch deut- lich wahrgenommen, dass unsere Part- ner in der Ostsee von uns eine Führungs- rolle erwarten und diese auch aktiv ein- fordern. Bereits seit geraumer Zeit haben wir mögliche Optionen untersucht, wie wir dieser Erwartungshaltung gerecht werden könnten.
Leinen los! 12/2022 13
Foto: Bundeswehr/Nico Theska


































































































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