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MARITIME SICHERHEITSPOLITIK
Die neue Strategie zeigt, was bei einem Blick in die Zeitung bereits deutlich wird: Die Bedrohungen sind vielfältig und reichen von Her- ausforderungen im europäischen Inland über die unmittelbare Umgebung bis hin zu globalen Überseegebieten. Gleichzeitig sind die maritimen Fähigkeiten seit 2014 nicht unbedingt gestiegen. Zu diesem Spannungsfeld versucht die Aktualisierung der Maritimen Sicherheitsstrategie einen europäischen Handlungsrahmen zu defi- nieren. Die Ansätze zumindest auf dem Papier können bereits zuver-
Russland intensiviert
die Marinebewegungen Von Syrien in die Ostsee:
Die lange Reise der admiral GriGorovich Frank Behling
sichtlich stimmen. Es wird sich zeigen, inwiefern diese sich umsetzen lassen, wie die europäischen Marinen mit den veränderten sicher- heitspolitischen Gegebenheiten umgehen und welche Rolle die NATO im europäischen Rahmen in Zukunft spielt. 7
* Henrik Schilling ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Center for Maritime Strategy & Security des Instituts für Sicherheitspo- litik an der Universität Kiel (ISPK).
Seit April haben die Bewegungen rus- sischer Marineeinheiten auf Nord- und Ostsee wieder deutlich an Intensi- tät zugenommen. Ein Teil der Aktivitäten war durch die Rückführung von Einhei- ten aus dem Mittelmeer begründet. Es kamen aber auch Forschungsschiffe und Schlepper zum Einsatz. Aktueller Höhe- punkt waren gemeinsame Manöver von einem Dutzend russischer Einheiten in der ersten Maiwoche zwischen dem Ärmelka- nal und der Norwegensee. Daran waren auch moderne Korvetten mit Marschflug- körpern beteiligt.
Eingebettet waren die Manöver in die Überführung der russischen Fregatte admiral grigorovich von Syrien in die Ostsee. Das 2016 in Dienst gestellte Schiff der Schwarzmeerflotte ist am 8. Mai durch das Skagerrak und den Großen Belt in die Ostsee eingelaufen. Begleitet wurde die Fregatte dabei durch die U-Jagdkorvet- ten sooBrazitelny und stoiKy und die bei- den Raketenkorvetten sovjetsK und odin- zoWo der Baltischen Flotte. Drei Schlep- per der russischen Flotte waren zur Absi- cherung dabei. Außerdem hat Russland den Tanker Kama in der Nordsee und der Norwegensee im Einsatz. „Die Aktivitäten sind auch ein Versuch, wieder mehr Auf- merksamkeit zu erzeugen“, so Dr. Sebas- tian Bruns vom ISPK.
Die admiral grigorovich ist das Typschiff der russischen Fregattenklasse Projekt 11356R, die 2016 und 2017 durch die Jantar- Werft in Kaliningrad abgeliefert wurde. Sie
bildet den neuen Kern der Schwarzmeer- flotte. Die Schwestern sind die admiral essen und die admiral maKarov, die aktu- ell im Schwarzen Meer die Hauptlast der Marineaktivitäten absichern.
Die admiral grigorovich war im Okto- ber 2021 vom Heimathafen Sewastopol aus dem Schwarzen Meer zum Mittel- meer-Geschwader der russischen Marine geschickt worden. Im Mittelmeer wurde das Schiff dann im Februar 2022 durch den Überfall Russlands auf die Ukraine überrascht. Da der Krieg deutlich länger als geplant dauerte, konnte die Fregatte nicht wieder ins Schwarze Meer zurück- kehren. Die Türkei verbietet den am Krieg in der Ukraine beteiligten Nationen den Transit der Meerengen Bosporus und Dar- danellen. Deshalb war die admiral grigo- rovich Anfang April nach fast 20 Mona- ten auf die Reise zu einer russischen Werft geschickt worden.
„Russland denkt die Meere immer stär- ker zusammen. So sind die Bewegungen der russischen Marine auch abgestimmt. Das Mittelmeer ist dabei ein Operations- gebiet zusammen mit der Ostsee und der Nordsee“, erklärt Bruns. Deshalb war es nur logisch, dass sofort nach der Blo- ckierung des Bosporus' auch eine andere Alternative zu den syrischen Basen gesucht wurde. „Für Werftüberholungen ist der syrische Stützpunkt Tartus nicht ausge- legt“, ergänzt Bruns. Deshalb musste Mitte April die admiral grigorovich auf die 4200 sm lange Reise von Syrien in die Ost-
see geschickt werden. Am 22. April pas- sierte der Verband die Straße von Gib- raltar. In Kaliningrad soll das Schiff jetzt überholt werden. In der Ostsee befin- det sich auch das U-Boot novorossiysK der Schwarzmeerflotte. Es war im Winter von Syrien nach St. Petersburg geschickt worden.
Die Manöver in der Nordsee sowie die Transitfahrten durch die dänischen Meer- engen begleiteten zahlreiche Einhei- ten aus Dänemark, Großbritannien und Frankreich. Die dänische Marine setzte dabei erstmals neben den Patrouillenboo- ten der diana-Klasse auch die Fregatten thetis und Peter Willemoes ein. Von deut- scher Seite überwachte das Einsatzschiff Potsdam der Bundespolizei die russischen Marinebewegungen.
Nachdem es zum Jahresbeginn zunächst deutlich weniger Aktivitäten der Balti- schen Flotte gab, erhöhte die russische Marine im April wieder die Zahl der Aktio- nen und Übungen. Dabei wurden überwie- gend Einheiten der KaraKurt-Klasse einge- setzt. Aber auch zahlreiche Schlepper und Forschungsschiffe passierten im April die dänischen Meerengen. Ein Teil der Fahr- ten waren Verlegungen von der Ostsee zur Nordflotte. 7
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Foto: fb


































































































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