Page 40 - Leinen los! 10/2025
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Geschichte
senken. Sieben Jahre lang transportierte die Bark vor allem Getreide und Kohle an der Pazifikküste von Kalifornien bis Alaska, bis auch hier Dampfschiffe die Segelschiffe allmählich verdrängten.
Nachdem die Segelschifffahrt nicht länger rentabel war, verkauften J. J. Smith & Co die StAr oF BengAl 1905 an die ebenfalls in San Francisco ansässige „Alaska Packers' Association“, kurz APA, den damals größ- ten Produzenten von Alaska-Konser- venlachs. Die APA betrieb zudem noch bis 1927 die letzte kommerzielle Segel- schiffflotte an der nordamerikanischen Westküste. Dabei setzte das Unterneh- men seine Frachtsegler nur für zwei Fahr- ten im Jahr ein. Im Frühjahr machten sich die Schiffe von San Francisco aus mit Sai- sonarbeitern und Vorräten auf den Weg zu den Konservenfabriken in Alaska, um dann im Frühherbst mit den Arbeitern und dem Dosenlachs zurückzukehren.
Auch die StAr oF BengAl folgte die- ser Routine. Und so verließ die Bark am 22. April 1908 unter dem Kommando von Kapitän Nicholas Wagner den Hafen von San Francisco und erreichte am 5. Mai ihr Ziel Fort Wrangell, eine kleine Gemeinde rund 250 km südlich von Juneau, der Hauptstadt Alaskas. Hier befand sich eine der Konservenfabriken der APA. Da Fort Wrangell inmitten eines Labyrinths von kleinen Inseln und Meerengen liegt, war der Hafen für reine Segelschiffe wie die StAr oF BengAl nur schwer anzusteu- ern, weshalb die Bark das letzte Stück der Reise mit Hilfe von APA-eigenen Dampf- schleppern zurücklegte.
Die Bark war neben der ebenfalls 1874 in Dienst gestellten StAr oF ruSSiA das bis dahin größte Segelschiff der Reederei J. P. Corry & Co.
„8:00 Uhr: Als das Wetter schlechter wird, melden sich vier Männer freiwillig, um ein Rettungsboot mit einer Rettungsleine an Land zu bringen.
Das Boot wird zerstört, als es das Ufer erreicht, und die Männer kommen fast ums Leben. Mit Glück befestigen sie die Rettungsleine an einem Baum und bauen eine Hosenboje zwischen Schiff und Ufer auf.
8:30 Uhr: Marten Carstensen, der Zimmermann des Schiffes, meldet sich freiwillig zur Überquerung der Rettungsleine. Während das Schiff in den Wellen schaukelt, wird die Leine wiederholt straff und locker, wirft ihn in die Luft und taucht ihn unter Wasser, ehe er 20 Meter in die Luft fliegt und im
Wasser darunter landet. Er wird von den vier Männern gerettet, die es an Land geschafft haben.
8:45 Uhr: Eine Welle hebt die Star of Bengal hoch und stürzt (sie) auf die Felsen. (...) Der Bug sinkt zuerst, und die Masten krachen, einer nach dem anderen, von vorne nach hinten herunter. Das Schiff zerbricht in Drittel.”
Geschätzter zeitlicher Unglücksverlauf laut Wrangell History Unlocked
Mitte September endete die Fang- und Verarbeitungssaison, sodass die StAr oF BengAl klar für die Rückreise gemacht wurde. Am Sonntag, den 20. September 1908, verließ die StAr oF BengAl mit 137 Besatzungsmitgliedern und Passagie- ren sowie einer Ladung Dosenlachs an Bord, gezogen von den beiden Schlep- pern hAttie gAge und kAyAk, den Hafen von Fort Wrangell, um nach San Fran- cisco zurückzukehren. Es herrschte dich- ter Nebel und schwere See. Das Wetter wurde immer schlechter, heftiger Regen verringerte die Sicht weiter und ein Sturm zog auf.
Gegen 16 Uhr geriet die StAr oF BengAl vor Coronation Island nordöstlich der Prince- of-Wales-Insel in flaches Wasser und warf den Anker. Aufgrund des schlechten Wet- ters konnten die beiden Schlepper keine Hilfe leisten und die Bark aus der gefährli- chen Situation befreien. Ebenso erwies es sich als unmöglich, die Beiboote zur Eva- kuierung einzusetzen. Allerdings gelang
es einem Boot mit vier Mann, mit einem Tau im Schlepp die Küste zu erreichen. Doch ihr Versuch, eine Rettungsleine zwi- schen Schiff und Land zu spannen, um so die noch an Bord befindlichen Schiffbrü- chigen mittels einer „Hosenboje“, einem Rettungsring mit angenähter Hose, nach dem Prinzip einer Seilbahn einzeln an Land zu holen, scheiterte. Kurz vor 21 Uhr gaben die Anker nach, die StAr oF BengAl wurde auf einen Felsen geschleudert, zerbrach in drei Teile und versank, von der Brandung zerschmettert, schließlich in den Fluten. Nur 27 Männer, darunter Kapitän Wagner, überlebten die Katastrophe, die übrigen, darunter viele Saisonarbeiter zumeist asi- atischer Herkunft, starben. Kapitän Wag- ner machte die Kapitäne der Schlepper für das Unglück verantwortlich, doch wurden diese in einer Untersuchung von jedweder Schuld freigesprochen. Bis heute gilt der Untergang der StAr oF BengAl als eines der schwersten Schiffsunglücke vor der Küste Alaskas. 7
Star of Bengal auf einen Blick
Flagge
Vereinigtes Königreich
Schiffstyp
Bark
Heimathafen
London
Eigner
J. P. Corry & Co.
Stapellauf
3. Januar 1874
Verbleib
Untergang
20. September 1908
Länge
80,15m
Breite
12,26m
Tiefgang (max.)
7,17 m
Vermessung
1870
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