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Tod auf See Segelschulschiff niobe Jann M. Witt
Seefahrt ist gefährlich. Seit sich der erste Mensch auf das Meer wagte, haben Stürme und Stran- dungen, ebenso wie Kriege und Piraten, zahllose Todesopfer gefordert. Trotz GPS oder Radar ereignen sich auch heute noch Unglücke auf See. In dieser Serie erinnern wir an zehn maritime Katastrophen, die der neuen Ausstellung „Tod auf See” im Marine-Ehrenmal zugrunde liegen.
Der 26. Juli 1932 war ein strahlender Sommertag. Doch aus heiterem Himmel zogen vor der Insel Fehmarn
die dunklen Wolken eines Gewitters auf. Eine plötzliche Fallbö ergriff eine Jackass- Bark und brachte sie zum Kentern. In weni- ger als fünf Minuten war das Schiff in der Tiefe verschwunden. Es war die nioBe, das Segelschulschiff der Reichsmarine. Ihr Untergang kostete 69 Männer das Leben. Die nioBe war am 31. Januar 1913 unter dem Namen morten jensen auf der Fre- derikshavn Værft og Flydedok in der nahe Kap Skagen gelegenen dänischen Stadt Frederikshavn vom Stapel gelaufen. Das als Viermastgaffelschoner getakelte Schiff gehörte der Reederei F. L. Knakkegaard aus der an der Westküste der dänischen Insel Falster gelegenen Stadt Nykøbing. 1916 wurde der Schoner an die norwegi- sche Reederei A/S Thyholm aus Arendal verkauft und in tyholmen umbenannt. Auf einer Fahrt nach Großbritannien mit einer Ladung Grubenholz wurde die tyholmen
am 21. November 1916 von dem deut- schen U-Boot U 41 nahe der nordengli- schen Ostküste angehalten und in einen deutschen Hafen gebracht. Ein Prisen- gericht bestätigte die Rechtmäßigkeit der Aufbringung und so ging das Schiff in deutschen Besitz über.
Nachdem der in aldeBaran umgetaufte Schoner zunächst als Hilfsfeuerschiff ein- gesetzt worden war, übernahm ihn 1921 die Reichsmarine als Segelschulschiff unter dem neuen Namen nioBe. Erster Kommandant war Kapitänleutnant Felix Graf von Luckner, der im Ersten Weltkrieg als Kommandant des als Hilfskreuzer ein- gesetzten Segelschiffs seeadler berühmt geworden war. Von 1922 bis Ende 1923 wurde die nioBe zu einer dreimastigen Jackass-Bark umgebaut. Bei dieser Form der Takelage führte der Fockmast einen vollen Satz Rahsegel, der Großmast ledig- lich Mars- und Bramsegel sowie ein gro- ßes Gaffelsegel und der Besanmast nur ein großes Gaffelsegel. Hinzu kamen die
Die nioBe unter Vollzeug in ruhiger See
üblichen Stagsegel. Zusätzlich verfügte die nioBe über einen 240-PS-Dieselmo- tor als Hilfsantrieb. Nach dem Umbau war das Schiff 46 m lang, 9,20 m breit und verdrängte 650 t. Die Stammbesatzung bestand aus 34 Mann, hinzu kamen 65 bis 80 Kadetten.
Am Morgen des 26. Juli 1932 war die nioBe unter dem Kommando von Kapitänleut- nant Heinrich Ruhfus von Kiel aus zu einer Ausbildungsfahrt in die östliche Ostsee ausgelaufen. An Bord befanden sich 109 Mann, die meisten davon Marineoffi- zier- und Unteroffizieranwärter. Bei leich- tem Wind aus südlicher Richtung führte das Schiff alle Segel. Um die Mittagszeit näherte sich die nioBe der Insel Fehmarn; kurz nach 14 Uhr passierte sie auf Südost- kurs im Abstand von einer halben See- meile das im Fehmarnbelt stationierte Feuerschiff. Die Freiwache befand sich zum Unterricht im Zwischendeck, als über Fehmarn eine Gewitterfront aufzog, wor- auf der Kommandant den an Deck befind-
Geschichte
Teil 6
Der Viermastgaffelschoner fuhr unter den Flaggen Dänemarks, Norwegens und des Deutschen Reiches
Leinen los! 7-8/2025 37
Fotos: Archiv DMB