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Geschichte
Das Wrack des Segelschulschiffes wurde 1933 mit einem Torpedo versenkt
lichen Seeleuten befahl, die oberen Segel wegzunehmen. Etwa um 14.25 Uhr brach die beobachtete Gewitterfront mit hefti- gem Regen durch. Der Wind sprang auf Südwest und erreichte blitzschnell Sturm- stärke. Augenblicklich legte die Wucht der harten Bö die nioBe auf die Seite. Das Wasser schoss durch die wegen der Wärme geöffneten Bullaugen. Die Män- ner unter Deck hatten keine Chance: ehe sie nach oben kommen konnten, war das Schiff bereits gesunken. Als später deut- sche und dänische Kriegsschiffe, die auf die SOS Rufe des Fehmarnbelt Feuerschif- fes hin Kurs auf die Unglückstelle genom- men hatten, eintrafen, zeugte nur ein gro- ßer Ölfleck von der schrecklichen Tragö- die.
Boote, die das Feuerschiff und der in unmittelbarer Nähe befindliche Hambur- ger Dampfer therese russ sofort ausge-
Nordfriedhof beigesetzt; einige der Toten wurden auch in ihre Heimatorte überführt. 19 Besatzungsmitglieder der nioBe hatten ihre letzte Ruhe in den Fluten der Ostsee gefunden.
Bald begannen die Bemühungen, die nioBe zu heben. Nach anfänglichen Schwierigkeiten gelang es Hamburger Bergungsexperten, das in 28 m Tiefe lie- gende Wrack des Dreimasters an die Was- seroberfläche und anschließend zurück nach Kiel zu bringen, wo es gründlich untersucht wurde.
Zugleich begannen die Ermittlungen zur Klärung der Unglücksursache. Sowohl der Kommandant als auch der Wachoffi- zier hatten den Untergang überlebt. Die Verfahren der Kriegsmarine endeten für beide mit einem Freispruch. Weder die ungewöhnlichen Windverhältnisse noch deren Folge, so die Richter, waren vorher-
der die Katastrophe verursacht hatte. Auf einem weniger gut instand gehaltenen Schiff wären vermutlich die Segel zerris- sen oder die Masten gebrochen, wodurch der Winddruck verringert und so ein Ken- tern verhindert worden wäre. Ein anderer Grund für die Tragödie könnten die Ver- änderungen in der Takelage durch die Reichsmarine gewesen sein. Bei einem Segelschiff müssen Rumpf und Take- lage miteinander im Einklang stehen; jede nachträgliche Veränderung kann diese Ausgewogenheit aus dem Gleich- gewicht bringen. Im Falle der nioBe war durch die Neutakelung eine große Segel- fläche nach oben verlagert worden, auf die während der Bö ungeheure Kräfte wirkten. Dadurch wurden die Masten zu einem riesiger Hebel, der das Schiff wei- ter als vom Konstrukteur kalkuliert auf die Seite legte. Bevor sich das instabile Schiff wieder aufrichten konnte, lief es voll Was- ser und versank.
Das Wrack der nioBe wurde nach Abschluss der Untersuchungen auf die Ostsee geschleppt und am 18. Sep- tember 1933 nordöstlich der rund 16 sm (30 km) nördlich vor Stolpmünde, der heu- tigen polnischen Stadt Ustka, gelegenen Stolpe-Bank in Anwesenheit eines Groß- teils der deutschen Flotte durch einen Tor- pedo des Torpedoboots jaGuar versenkt. Als Konsequenz aus dem Untergang der nioBe wurden die seit 1933 gebauten Segelschulschiffe der Kriegsmarine Gorch Fock, horst wessel und alBert leo schla- Geter ganz auf Sicherheit konstruiert. Die drei als Bark getakelten Schwesterschiffe besaßen eine wesentlich größere Stabi- lität als die meisten Handelssegler und waren untertakelt, hatten also eine für ihre Größe geringe Segelfläche. Der Ent- wurf war so geglückt, dass auch die 1956 gebaute Gorch Fock, das Segelschulschiff der Deutschen Marine, im Wesentlichen auf diesen Plänen beruht. 7
„Alles ist eine Sekunde lang hocherfreut, dass das Wasser durch die Speigatts rauscht, doch in der nächsten Sekunde steigt es über die Reling. Es wird Zeit, von Deck wegzukommen. Ich entere mit anderen Kameraden, zuletzt auf allen vieren, auf die Back. Großes Gedränge. Ich denke noch an nichts Schlimmes. Klettere auf die Steuerbord-Außenbordwand, im Glauben, dass die Sache nun sich klärt. Da springt mein Korporal, Anzug Unterhose, über Bord. Da jumpe ich auch, wie ich bin, nach Lee ins Wasser, schwimme über die Vorsegel weg, fort von dem Schiff. Versuche treibende Schwimmwesten zu bekommen, doch andere Kameraden bekommen sie vor mir. Als ich mich umdrehe, ist nichts mehr von unserem ‚stolzen Schwan der Ostsee‘ zu sehen als der Klüverbaum und auf diesem der Matrosengefreite Lammers, der nicht schwimmen kann ...”
Claus Korth, ehemals Matrose auf der Niobe
setzt hatten, fischten die Überlebenden aus dem Wasser. Doch nur 40 der 109 Mann an Bord wurden gerettet; 26 Offi- zier-, 10 Unteroffizieranwärter sowie 23 weitere Besatzungsangehörige fanden den Tod in den Fluten – der schwerste Verlust, den die Reichsmarine bis dahin erlitten hatte. 50 Leichen konnten gebor- gen werden und wurden auf dem Kieler
zusehen gewesen. Beide hätten der Situ- ation entsprechend reagiert und damit begonnen, die Segel fortnehmen zu las- sen, als die Bö das Schiff unvermittelt traf. Menschliches Versagen hatte das Unglück also nicht verursacht – eher das Gegen- teil. Ironischerweise war es möglicher- weise ausgerechnet der ausgezeichnete Zustand von Schiff und Material gewesen,
38 Leinen los! 7-8/2025


































































































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