Page 16 - Leinen los 7-8/2024
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Mensch.Schifffahrt.Meer.
Nichts als Steine im Bauch
Auf Troll-Pfaden dem ältesten Granit der Welt auf der Spur
Peer Schmidt-Walther
„Zum Elbehafen wollen Sie?“, fragt der Busfahrer in Itzehoe, „da müssen Sie an der Schleuse in Brunsbüttel aus- steigen.“ Und ein Radfahrer, der gerade von der Fähre rollt, meint entmutigend: „Da drüben ist tote Hose, kein Bus, kein Taxi, nix!“ Gleich drückt der Rucksack doppelt schwer beim Gedanken an einen langen Fußmarsch. Trampen? Vielleicht die Lösung.
Auf der Fähre begrüßen sich zwei kräftige Männer in Overalls mit dem Aufdruck der Schleppreederei Schramm. Die Chance, denn diese Jungs müssten sich auskennen. „Na, dann komm man mit!“ Volltreffer!! Unkomplizierte See- leute: hilfsbereit und direkt. „Du kannst nachher mit uns zum Hafen fahren. Schiff kommt erst gegen 20 Uhr rein“, bietet einer der Festmacher an.
In langsamster Fahrt schiebt sich der Bulk- carrier mit dem blauen Rumpf von Cuxha- ven her kommend ins Bild. Ein Schlepper hilft achtern mit, das Heck des tief abge- ladenen Frachters zu drehen und an die Pier zu drücken. Die Schramm-Festmacher nehmen die schweren Leinen an und zer- ren eine nach der anderen an Land. Ein Trecker übernimmt sie dann und schleift sie zu den Pollern.
Sekunden später schwebt an einem Stahl- seil sirrend ein brusthoher Käfig herab. „Get in with your luggage!“ ruft der Mann. Zweifelnd steht man vor dem kippligen
Gerät, schaut nach oben und überlegt, ob das denn gutgeht. Wumms, gelan- det! Hilfreiche Hände greifen zu, strah- lende Philippino-Gesichter ringsum. „Welcome on board with FjordneS family!“ mit meinem Namen lese ich auf einem Pla- kat an der Wand und bin vollkommen von den Socken: So einen Empfang habe ich noch nie erlebt! Selbst die sonst nicht gerade leisen Festmacher sind sprach- los. „Bon Andales“, stellt sich der Dritte Offizier vor und grinst: „I´ll bring you to the captain.“ Er hängt sich den Rucksack auf den Rücken und bugsiert mich ins Trep- penhaus, das frisch gewienert glänzt und duftet.
Blick nach vorn
„Schön, dass du da bist und willkommen an Bord!“, kommt mir Kapitän Danilo Can- teros entgegen. Eine kräftige Umarmung, wir schauen uns von oben bis unten an und stellen Veränderungen fest seit unserer
letzten gemeinsamen Fahrt vor sieben Jahren auf dem Reederei-Schiff SpLittneS. „Wir sehen uns zum Frühstück unten in der Messe“, verabschiedet sich der Mas- ter, denn er habe noch zu tun: „Papier- kram“, meint er nur abschätzig. Zum Durst- löschen hat er drei Flaschen Bier auf den Tisch meiner hellen Kabine gestellt, die zwischen der von Kapitän und Chief und direkt unter der Brücke liegt. Das breite Bett des Schlafraums nebenan, von dem auch Dusche und WC abzweigen, ist schon bezogen. Da kann man sich die nächste Zeit absolut wohlfühlen.
Aus den beiden Fenstern hat man einen direkten Blick voraus. Wie von der Brücke. Die auf dem Vorschiff verankerte Förder- band-Gitterkonstruktion, 90 m lang und 220 t schwer, wie ich lese, schwenkt träge aus der Mittschiffslage an Land. Die Lukendeckel werden hydraulisch ausei- nandergeschoben. Aus dem Rüssel am Ende der Förderbrücke pladdert plötzlich dunkler Stoff auf eine freie Fläche neben
MS FJordnes dreht auf der Elbe zum Anlegen in Brunsbüttel
16 Leinen los! 7-8/2024
Fotos: psw


































































































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