Page 17 - Leinen los 7-8/2024
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der Pier. Maximal bis zu 5500 t pro Stunde können, erfährt man aus den Schiffsunter- lagen, so gelöscht werden.
Das funktioniert nach einem simplen Prin- zip: Der schwere Granit-Feinsplitt schiebt sich durch eine Klappe am Boden der Ladeluke auf das darunter rotierende zwei Meter breite Förderband. Die Wände des Laderaums sind schräg und mit Spezial- Teflon beschichtet. „Damit das Material von alleine rutscht“, erklärt Dritter Offi- zier Michael Alindayua, der, vermummt mit einer vor Staub schützenden Gesichts- maske und Helm, am Lukenrand steht und den Löschvorgang überwacht. Über Sprechfunk gibt er schließlich Anweisung, Klappe und Luke zu schließen. Der Raum, in dem vor zwei Stunden noch 5500 t Stra- ßenbaustoff gelagert haben, ist besen- rein, ohne schweißtreibende Mannar- beit per Besen und Schlauch. Die gewal- tige selbstlöschende Bandanlage mit dem schwenkbaren Arm arbeitet unabhängig von kostenintensivem zusätzlichen Per- sonal. „Auch das haben die chinesischen Schiffbauer nach Reedereivorgaben per- fekt gelöst“, findet Danilo, der auch das Schiff aus Fernost nach Kiel zur Taufe am 2. September 2021 überführt hat.
An Land bleibt am nächsten Morgen eine schwarzgraue Bergkulisse von 38 400 t Granitsplitt unterschiedlicher Korngrößen zurück. Im Zeitlupentempo ruckt nach gut acht Stunden Löschzeit das Förderband in Mittschiffslage zurück. Wie ein schwerfällig über das Hauptdeck tap- sender Dinosaurier.
Der Erste Offizier Roel Ompad hat über Nacht Dauerwache gehabt und Bal- lastwasser in die Tanks gepumpt. Statt 10,60 m Tiefgang taucht das Schiff nur noch mit 6,80 m ein, weil es keine Steine mehr im Bauch hat. Ein Bild, das an Rot- käppchens Wolf in Grimms Märchen erin- nert.
Zufriedener Lotse
Der Seelotse ist an Bord gekommen, die Festmacher stehen bereit. Es kann losge- hen. Elbe und Nordsee, spiegelglatt unter blauem Sonnenhimmel, scheinen mit dem Kreuzfahrer-Slogan: „Meer erleben!“ zu werben. „Ein Wetterchen heute!“, strahlt der Lotse, „haben wir hier draußen nicht sooft.“
Zentimeter um Zentimeter rangiert Kapi- tän Danilo Canteros den 190 m langen und 29 m breiten Koloss wie spielerisch mit dem kleinen Joystick-Hebelchen im
Festmacher holen mit aller Kraft eine Achterleine an Land
Steuerbord-Fahrstand von der Pier ins Fahrwasser der Unterelbe. Querab der Cuxhavener Kugelbake kommt voraus ein wahres Monster entgegen. ever aria lesen wir später am Steven und können nur noch staunen über den 400-m-Neu- bau mit seinen 241 000 t und 23 000 Blech- kisten, sprich Containern. Neben diesen Stahlmassen fühlen wir uns fast schon ein bisschen mickrig.
Nach rund 40 sm kommt der rote Kata- maran eLBe in Sicht. Sein kleinerer Bruder duHnen geht längsseits und übernimmt den Lotsen. Der hat sich vom Kapitän strahlend verabschiedet, weil er mit der FjordneS und seiner Crew samt Service äußerst zufrieden war: „Ein sympathi- sches Schiff, auf dem man gern arbeitet!“ Ein letztes Winken von unten nach oben und umgekehrt, dann fährt Kapitän Danilo die Umdrehungen der beiden 7250-kW-Hauptmaschinen allmählich hoch. Querab vom roten Felsklotz Hel- goland zieht FjordneS schon eine schein- bar ins Unendliche reichende schnurge- rade weiße Hecksee-Schleppe hinter sich her. Der Generalkurs heißt nur noch Nord: auf zum Boknafjord!
Käpt'ns Dinner für alle
An Deck startet Bootsmann Olimpio das Programm „Großreinschiff“. Seine Män- ner rücken mit Schläuchen, Kärcher und Besen an, um Ladungsstaub von Deck zu waschen. Nachdem die Sonne alles getrocknet hat, folgt eine Malerkolonne mit breiten Rollen und legt in atembe- raubendem Tempo los. Innerhalb weni- ger Stunden glänzt die hellgraue Fjord- neS-Haut geradezu werftfrisch.
Lunch time. „Chopp, Chopp!“ erinnert Bootsmann Olimpio Verastigue ans Mit-
tagessen. Den Ausdruck verstehen, weil international, alle.
Am Käpt'ns Table sitzt bereits Kapitän Danilo, neben ihm still vor sich hin lächelnd Chief-Ingenieur Danilo Galve. Er und sein Zweiter Ing. Jun Aldeguer gehen wie die übrige Maschinen-Crew nur Tagschicht. Bei Alarm oder Problemen sind sie jeder- zeit erreichbar. Sie nehmen sich auch Zeit für eine Maschinenraum-Führung bis ins Ladedeck mit seinem gewaltigen För- derband-System. Es fällt auf, dass die gesamte Anlage wie neu glänzt. „Gute Pflege ist alles“, meinen beide und lächeln verschmitzt, „das ist wie in der Ehe.“ Cookie, der Koch Wenceslao Regner, hat ein reichhaltiges Lunch-Büfett mit philip- pinischer Note aufgebaut: Fisch, Fleisch,
Blick aus dem Kammerfenster auf das nächtlich angestrahlte Ladedeck
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