Page 18 - Leinen los 7-8/2024
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Mensch.Schifffahrt.Meer.
Rudergänger (l.), Kapitän (vorn) und Lotse auf der Brücke bei Elbe-Revierfahrt
Kvitsoy schießt von Backbord das Lotsen- boot heran, an Steuerbord nähert sich aus Stavanger der Kreuzfahrer Queen mary 2. Kurze Begrüßung und die übliche Frage nach dem Tiefgang. Kapitän und Lotse kennen sich von vielen gemeinsamen Fahrten. „Wir können langsam machen“, informiert ihn Danilo, „weil unser Liege- platz noch belegt ist.“ Die Queen passiert mit 18 kn majestätisch und wegerechts- korrekt vor dem Steven, während Fjord- neS nur noch dahinschleicht.
Durch das geöffnete Kammerfenster strömt jetzt Waldluft herein: der Duft von Norwegen! Die kahlen Schären weichen allmählich den von Fichten gesäumten Bergrücken, die in der Ferne sogar noch schneebedeckt sind. „Ein ideales Urlaubs-
Suppe, Salat und Melonenstücke als Nachtisch. Zwei Reistöpfe stehen für die Asiaten, aus denen die 21-köpfige Besat- zung komplett besteht, immer bereit. „Good appetite!“ Käpt'ns Dinner: hier deftig-kräftig-gutbürgerlich, von jetzt an dreimal täglich. Und alle immer gemein- sam. Da gibt es keinen Unterschied. Die Krönung ist immer das Sonntagslunch mit Steak, Pommes, Salat und Eis.
Nach dem Essen ist gut ruhen, zumal Wet- ter und Bordprogramm jetzt wenig Alter- nativen bieten. Die Skagerrak-See gibt sich ruppig bei NW-Wind, der Schaum- köpfe auf die dunkelblaue See tupft. An Bord kursiert der Handy-Film über eine
Monsterwelle, die das Reederei-Schwes- terschiff StoneS in der winterlichen Nord- see überschüttete: über 25 m hoch und rund 100 000 t schwer. Zentimeterdicker Stahl wurde dabei zerfetzt wie Papier. Den 15.000-Euro-Schaden belegen erschre- ckende Bilder. Doch die Nordsee bleibt diesmal weitgehend friedlich.
Später zur Coffee Time Brücken-Klön- schnack mit dem Wachhabenden Zwei- ten Heinrich – tatsächlich! – Noga bei einem Pott Kaffee und Keksen. Kapitän Danilo hockt in seiner Kommunikations- zentrale vor dem PC: „Hausarbeit. Es ste- hen mal wieder die Abrechnungen an“, sagt er und lässt seinen Blick zwischen- durch auch mal über See und Navigations- Bildschirme schweifen. In der Schiffskasse warten Euro zur Auszahlung. Handgeld zum Einkaufen für die Crew, die ansons- ten ihren Lohn an die Familien überwei- sen lässt. „Und auch andere Familienmit- glieder unterhält“, erklärt Heinrich, „das ist bei uns so üblich. Jeder hilft jedem.“ Für die OP eines kranken Freundes von Ma- trose Bienvenido wird sogar eine Samm- lung an Bord veranstaltet. Wobei jeder seine Summe in eine Liste eingetragen hat: gelebte Solidarität. Im Übrigen sei er wie alle froh, dass endlich ihre philippi- nischen Zertifikate und Patente von den deutschen Behörden anerkannt worden seien. Schließlich stellen die Männer einen Großteil der Besatzungen auf deutschen Schiffen.
Queen passiert
Am Spätnachmittag des nächsten Tages kommt an Steuerbord die norwegische Küste als schmales graues Band in Sicht. Nach 338 sm seit Elbe I dreht FjordneS in den Boknafjord ein. Von der Lotsenstation
Der Seelotse verlässt auf Position Elbe I das Schiff
Auf das Laden und Löschen folgt immer ein Großreinschiff
gebiet, unsere Ryfylke-Region“, schwärmt er, „du kannst hier alles an einem Tag machen: wandern, Skilaufen und Was- sersport betreiben.“ Reich sei man hier geworden durch Erdgasverarbeitung und Aluminiumverhüttung. „Den Strom aus Windkraft exportieren wir profitabel per Kabel nach Deutschland“, weiß er, „wir haben genügend preiswerte Was- serkraft.“
Nach zweieinhalb Stunden und einem Drehmanöver legt FjordneS am Stein- bruch von Jelsa an. norSk Stein prangt in Riesenlettern an einer Werkshalle, ringsum graue Granitsplitt-Hügel aus
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