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BÜCHERSCHAPP
Lars-Kristian Brandt, OCEANUM SPE- ZIAL: Nord-Ostsee-Kanal, Oceanum Verlag, Bremen, ISBN 978-3-86927- 624-3, € 17,90
Der Autor stellt den 1895
von Kaiser Wilhelm II. er-
öffneten Nord-Ostsee-
Kanal auf eine ungewöhn-
liche Weise vor: Er beglei-
tet Lotsen, Kanalsteu-
rer, Mitarbeiter der See-
mannsmission, den letz-
ten aktiven Kanalfischer
und beschreibt seine
Fahrt mit einem Schlep-
per in Brunsbüttel. Na-
türlich erzählt er auch die
Entstehung und die Ge-
schichte der meistbefah-
renen künstlichen See- schifffahrtsstraße der Welt, die ursprüng- lich für die Kaiserliche Marine gebaut wur- de. Heute nutzen meist Frachter die Abkür- zung zwischen Nord- und Ostsee, um sich den Weg durch das Skagerrak rund um Dänemark zu ersparen, aber auch Kreuz- fahrtschiffe und Sportboote sind hier un- terwegs. Historische und aktuelle Fotos er- gänzen die Reportagen. Beleuchtet wer- den u.a. die Themen 130 Jahre Kanalge- schichte, Neue Fähren im Kanal, Die erste Frau als Kanal-Lotsin, Kreishafen Rends- burg, Unterwegs mit Lotsen und Kanal- steuerern. ws
Volker Pesch, Bodden und Haffe – Euro- pean Essays on Nature and Landscape, KJM Buchverlag, Hamburg, ISBN 978- 3-96194-250-3, € 22,00
Der Tourismus boomt in Mecklenburg-Vor- pommern, besonders der maritime. Es sind vor allem Segler, die die Schönheit von Bod- den und Haffen für sich entdecken. Und die soll erhalten bleiben, was einen verständ- nisvollen Umgang mit
dieser ganz besonde- ren Wasserlandschaft voraussetzt. Schrift- steller, Journalist und Segler Dr. Volker Pesch aus der Nähe der Han- sestadt Greifswald hat sich das zum Ziel sei- ner viertägigen Reise gesetzt: seine Kolle- gen vor dem Mast mit dieser einzigartigen Landschaft sowie ih- rer sensiblen Flora und Fauna vertraut zu ma-
chen. Er selber schreibt darüber: „Bodden und Haffe – man kann sich diese Landschaft vorstellen wie eine Reihe großer, miteinan- der verbundener Seen, an deren Ufer sich
Schilfgürtel und sandi- ge Kliffs abwechseln. Es sind fischreiche Gewäs- ser, Brutgebiete selte- ner Vögel, Habitate ge- schützter Arten, Natur- paradiese. Es sind keine tosenden Meere, keine stillen Binnenseen, we- der Salz- noch Süßwas- ser, nicht binnen, nicht buten. Es sind maritime Zwischenwelten.“ Pesch hat ein Zeesen- boot gechartert, eins dieser für die Region
früher typischen Fischerboote mit ihren charakteristischen braunen Segeln, und ist damit vom Fischland im Westen weiter durch Strelasund, Greifswalder Bodden und Peenestrom bis zum Stettiner Haff im Osten gesegelt.
Währenddessen schildert er sehr einfühl- sam alles, was er ringsum beobachtet und entdeckt. Auch seine Gedanken lässt er da- zu einfließen.
Bei der Lektüre des 139 Seiten umfassen- den Buches fühlt man sich so, als ob man neben ihm an der Pinne sitzt oder in der Vorpiek bei Tee und Petroleumfunzel dem Wellenschlag lauscht. Die geschilderten Stimmungen übertragen sich auf den Le- ser, wozu auch die bildreiche Sprache und der schnörkellose Stil beitragen. Als Jour- nalist beherrscht er beides gleichermaßen und schafft damit ein zusätzliches Lese- vergnügen. Dazu gibt es Federzeichnun- gen von Rüdiger Tillmanns, Fotos und Kar- ten, Tipps und Links zur Information und Er- kundung der Region. Das Werk erscheint
in der renommierten Na- tur-Reihe „European Es- says on Nature and Land- scapes“. Das ergänzen- de Buch „Binnenmeer“ (ISBN978-3-96194-245-9) über die Ostsee von Olaf Kanter ist auch dort er- schienen und ebenfalls sehr empfehlenswert. Ne- ben Seehandbüchern ge- hören diese Bände ins Bü- cherschapp eines jeden Bootes, ob mit oder ohne Motor, das Bodden und Haffe befährt. psw
Kati Naumann, Fernwehland, Harper Col- lins, Hamburg, ISBN 978-3365007433, € 24,–
So manches Schiffsleben ist aufregend wie ein Roman, das gilt mit Sicherheit für das 1948 damals als stockholM zu seiner Jung- fernfahrt aufgebrochene Kreuzfahrtschiff, das zum ersten Mal berühmt wurde durch die spektakuläre Kollision mit der AndreA doriA 1956 südlich von Boston. Das Schiff ist die heimliche Hauptfigur dieses gut re- cherchierten Unterhaltungsromans. Kati Naumann verwebt die aufregende Schiffs- vita mit der Lebensgeschichte einiger we- niger Figuren. Schwerpunkt ist die Zeit, in der das Kreuzfahrtschiff als völkerFreund- schAFt für die DDR unterwegs war. Die Au- torin hat u.a. mit zahlreichen ehemaligen Besatzungsmitgliedern gesprochen und sich die Deckspläne aus dieser Zeit und de- nen aus der Zeit nach dem späteren Umbau besorgt. Das Protokoll der Schiffstaufe der stockholM hat sie nach mühevoller Suche aus einem schwedischen Archiv erhalten. Man begleitet die Protagonisten auf zwei Zeitebenen, es gibt eine nostalgische Tour auf der AstoriA im Jahr 2019 (das war eine der letzten Reisen) und die Rückblicke ei- ner Familie ab 1938, die aus Radebeul an der Elbe stammt, damit ist auch die gesam- te Geschichte der DDR mit abgedeckt. Die Dampfschifffahrt an der Elbe infiziert die ers- ten Generationen mit dem Fernweh und der Sehnsucht nach Wasser und Schiffen, ein En- kel wird Matrose auf dem Kreuzfahrtschiff. Ein flüssig geschriebener Roman mit au- thentischem Setting, historisch fundiert, genau in den Details und kitschfrei, der trotz der warmherzigen Grundstimmung deut- lich macht, wie in der DDR das Leben von Menschen zerstört wurde. Beste Unterhal- tung für Schiffsliebhaber mit geschichtli- chem Interesse. rb
Leinen los! 6/2025 49


































































































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