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Order of Battle der Marine: So soll unsere Marine bis 2035 aufwachsen
kommen erstmalig auch separate Forde- rungen aus dem neuen Operationsplan Deutschland.
Wo schauen wir dabei hin, wo wird die Deutsche Marine künftig gefordert sein? Die Ostsee steht nicht zuletzt vor dem Hin- tergrund zahlreicher hybrider Vorfälle im Fokus der Öffentlichkeit. Unser Operati- onsraum, die NATO-Nordflanke, ist aber sehr viel weiter gefasst: Sie beginnt an der Ostküste, erstreckt sich entlang der trans- atlantischen Seeverbindungswege über Grönland, Island, das Vereinigte König- reich (GIUK-Lücke) bis in die Ostsee, nach Skandinavien und das Baltikum. De facto sehen wir ein zusammenhängendes soge- nanntes Theatre of War mit sehr unter- schiedlichen Anforderungen.
Diese transatlantische Seeverbindungsli- nie zwischen unseren Kontinenten muss als bedeutender Handelskorridor und kri- tischer Aufmarsch- und Versorgungsweg erhalten bleiben – die Seestreitkräfte der NATO sind entscheidender Akteur, um genau das zu gewährleisten. Mit unse- rem aktuellen Vorhaben „Atlantic Bear“, welches den Einsatzgruppenversorger berLin u.a. nach Grönland und an die Ost- küste der USA führt, tragen wir dem Rech- nung. Mit der Beteiligung an verschiede- nen Übungen und Manövern in der Region unterstreichen wir somit ihre Bedeutung für unser Land. Die maritime Sicherheits- partnerschaft zusammen mit Kanada, Dänemark und Norwegen folgt auch geostrategischen Interessen im hohen Norden.
Bei allen neuen Schwerpunkten sehen wir aber auch, dass die Deutsche Marine weltweit gefordert bleibt: Einsätze im Nahen und Mittleren Osten, das Indo- Pacific Deployment, Präsenzoperationen:
Unsere Mittel sind begrenzt, aber über- all beansprucht. Mit den bestehenden Schiffen, Booten, Luftfahrzeugen und vor allem Besatzungen – unseren militärischen Ressourcen – bedienen wir eine globale Bandbreite an Aufträgen und Verpflich- tungen und bieten der Politik immer ein passendes Instrument zum militärischen Handeln. Gleichzeitig müssen wir aber in unserem regionalen Fokus, der Nord- und Ostsee handlungsfähig bleiben: Die Lan- des- und Bündnisverteidigung ist unser, auch politisch klar vorgegebener, militäri- scher Schwerpunkt. Ein plötzliches Mehr an Haushaltsmitteln übersetzt sich leider nicht direkt in mehr verfügbare Einheiten. In Zeiten begrenzter Ressourcen heißt es also weiterhin, dass wir sehr genau priori- sieren müssen bei der Frage, wo wir wie lange mit unseren Plattformen Präsenz zei- gen wollen und können. Denn die Bedro- hung besteht bereits heute. Wie wir sie meistern, entscheidet sich entlang dreier Zeitlinien.
FIGHT TOMORROW. Die lange Linie, in den 2030er- und 2040er-Jahren. Hierfür ist ein systematischer Aufwuchs entlang der NATO- und nationalen Verteidigungspla- nung erforderlich. Die eigentliche Heraus- forderung dabei: Schritt halten mit dem Gegner und der technischen Entwicklung. Dafür sehe ich insbesondere die erfolgrei- che Umsetzung der Großprojekte der Fre- gatten-Klasse 127 und der neuen Uboote U 212CD von herausragender Bedeutung. FIGHT TONIGHT steht für den Sprint bis zum Ende der Dekade: Denn, wir können nicht bis 2029 eine ganz neue Flotte bauen. Daher müssen wir unsere Bestandsflotte bestmöglich ertüchtigen und deren Kampfkraft stärken. Dazu gilt es, kurzfris- tig zu beschaffen, was möglicherweise
bereits querschnittlich in der Bundes- wehr verfügbar ist und was in den nächs- ten Jahren wirksame Effekte erzielt. Denn Zeit haben wir nicht – schnell Effekte erzie- len – darauf wird es ankommen! Konkret sieht der Kurs Marine dafür vier Gestal- tungsfelder vor:
Erstens, Präsenz erhöhen. Wir müssen unsere Flotte mehr in See bringen. Künf- tig sollen zwei Drittel unserer Einheiten für Operationen zur Verfügung stehen. Das erfordert: schlanke Prozesse, verlässliche Industriekapazitäten und schnelle Instand- setzungen bei Ausfällen. Bei Letzterem müssen vor allem die Besatzungen selbst wieder mehr dürfen. Nur mit durchgängig gut ausgebildeten Besatzungen können wir eine längere Präsenz auf See ermög- lichen.
Zweitens heißt es, die Kampfkraft der vor- handenen Flotte zu stärken. Dazu erfor- derlich sind zahlreichere, stärkere und weiter reichende Effektoren (v.a. für Strike Fähigkeiten) auf allen unseren Plattformen. Hinzu kommt die Notwendigkeit für effek- tivere Sensoren und umfangreichere Muni- tionsvorräte, bei denen auch die Voraus- stationierung mitgedacht werden muss. Drittens wollen wir eine Drohnenflotte auf- bauen und dazu schnell einsteigen, eine unkomplizierte, querschnittliche Imple- mentierung in der Flotte ist das Ziel. Unser Motto dazu: Jede Einheit wird ein Droh- nenträger! Nach dem erfolgreichen Test des Large Unmanned Underwater Vehicle Blue Whale im Rahmen der Operational Experimentation in 2024 soll das soge- nannte Future Combat Surface System (FCSS) als Leuchtturmprojekt die Erpro- bung noch in diesem Jahr durchlaufen. Viertens schließlich sehen wir die ver- stärkte Nutzung marktverfügbarer Pro-
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Grafik: Bundeswehr


































































































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