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Die Erwartungen sind gestiegen Kurs Marine – Teil 1
Jan C. Kaack
Die strategische Bedeutung maritimer Räume hat sich in den letzten Jahren deutlich verstärkt und ist auch der Öffent-
lichkeit in Deutschland neu ins Bewusstsein gerückt. Von der Ostsee bis ins Schwarze Meer, vom Nordatlantik bis zum Indo-Pazi- fik: Die See, als Basis unserer wirtschaftli- chen Stärke in Deutschland und Europa aber auch als logistisches Rückgrat der Bündnisverteidigung der NATO bleibt geopolitischer Handlungsraum – bei dem Freiheit und Sicherheit keineswegs selbst- verständlich sind.
Vor dreieinhalb Jahren war die grundle- gende und vor allem nachhaltige Ände- rung unseres strategischen Umfeldes noch nicht so deutlich erkennbar wie heute. Die Erwartungen an unsere Deutsche Marine sind mit diesen Änderungen weiter gestie-
Lage verschärft hat. Die Vorfälle in der Ost- see sind in aller Munde und bekommen eine hohe, auch mediale, Aufmerksamkeit. Sie sind aber nur ein Ausschnitt des grö- ßeren Bildes.
Die russische Kriegswirtschaft läuft auf Hochtouren und damit steigt auch die kon- ventionelle Bedrohung. Ein Angriff Russ- lands auf die NATO ist noch vor Ende die- ser Dekade möglich. Es gilt, alles zu unter- nehmen, um einen solchen Angriff abzu- wehren – bestenfalls, bevor er beginnt. Dafür brauchen wir die Fähigkeit zur Abschreckung. Wenn sie scheitert, müs- sen wir zur Verteidigung bereit sein. Jeder- zeit! Wir bereiten uns daher auf den Fight tonight vor: Was wäre, wenn wir heute Nacht den Verteidigungskampf aufneh- men müssten?
Vizeadmiral Jan C. Kaack im Marine- kommando während der Jahresab- schlussmusterung im Dezember 2024
unsere langfristige Planung, unser eige- ner Aufwuchs messen lassen. Denn nicht zuletzt gilt: Die Geschichte vergibt keine zweiten Plätze. Wir bereiten uns heute vor, um auch morgen abschreckungsfähig und verteidigungsbereit sein zu können und zu bleiben – Fight tomorrow.
Mit einfachen Worten: Wir müssen einen Sprint gewinnen, während wir uns auf den Marathon vorbereiten. Wie wir das machen, gibt unser Kurs Marine vor, den wir Anfang des Jahres aktualisiert heraus- gegeben haben. Er ist die ganzheitliche Antwort der Marine auf drei zentrale Fra- gen, die sich heute in der Dimension See stellen: Wie gehen wir um mit einer strate- gischen Bedrohung durch Russland, zwei Haupt-Operationsräumen, drei Zeitlinien. Die letzte Zielvorstellung der Marine wurde Anfang 2023 formuliert. Seitdem hat sich vieles grundlegend geändert: (1) Die Bedrohung durch Russland ist signifikant gestiegen. Wir müssen vor 2029 abschre- ckungsbereit und verteidigungsfähig sein. (2) Die NATO-Verteidigungsplanung ver- langt von uns mehr einsatzbereite Kräfte. Die langfristigen Forderungen der Alli- anz leiten sich in diesem Verteidigungs- planungszyklus erstmals direkt aus den militärischen Regionalplänen ab. Hinzu
Deutsche Marine
Die Grafik zeigt die GIUK-Lücke, eine gedachte Linie zwischen Grönland, Island, dem Nordende des Vereinigten Königreichs. Außerdem sind mögliche Angriffsrichtun- gen aus dem Osten zu sehen, Aufmarsch- und Versorgungswege der NATO und die Stützpunkte der russischen Nordmeer- und Baltischen Flotte
gen. Die zunehmenden hybriden Angriffe in der Ostsee und auch die Sabotage- und Spionageversuche gegen unsere Liegen- schaften und Einheiten sind besorgniser- regend und verdeutlichen, dass sich nicht nur auf maritimen Kriegsschauplätzen, wie dem Schwarzen Meer und dem Roten Meer, sondern auch bei uns zu Hause die
Über 2029 hinaus zeigt der Blick auf Russ- lands Aufrüstung, dass seine militärischen Fähigkeiten nicht abnehmen werden – ganz im Gegenteil. Wir würden kampf- erprobten und weiterentwickelten russi- schen Streitkräften gegenüberstehen, die Strukturen, Personal und Material auf den Krieg ausgerichtet haben. Hieran muss sich
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Grafik: Bundeswehr/Astrid Höffling/Kartenbasis: © MapCreator/OpenStreetMap
Foto: Bundeswehr/Kristina Kolodin


































































































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