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Deutsche Marine
Klimawandel –
der blinde Fleck im Kurs Marine
Zur Transformation der Streitkräfte vor dem Hintergrund von Zeitenwende und Klimakrise
Kurs Marine – Teil 3
Dr. Kerrin Langer*
Bereits in der Einleitung zum Kurs Marine wird deutlich, dass der Fokus der Ausrichtung der Marine auf der
„existenzielle[n] konventionelle[n] Bedro- hung“ durch Russland liegt und die Lan- des- und Bündnisverteidigung (LVBV) als Konstante den Planungen zugrunde liegt. In weit geringerem Maße finden auch die Bedrohung durch China sowie internatio- nales Krisenmanagement, nationale Kri- sen- und Risikovorsorge sowie Verteidi- gungsdiplomatie Eingang in die Planun- gen der Marine. Es steht außer Frage, dass der Fokus auf LVBV, auf Abschre- ckung sowie zukünftige Kampffähigkeit und Einsatzbereitschaft, die die russische Bedrohung in den Mittelpunkt stellt, Kern- element der Ausrichtung der Marine sein muss.
Doch was ist mit dem einen Gegner, der mittel- und langfristig die Einsatzbe- reitschaft der Marine beeinflussen wird, dem Klimawandel? Wie bereitet sich die Marine darauf vor, wenn sie selbst immer wieder betont, welche Rolle auch der langfristigen Planung zukommt? Dass der Klimawandel über kurz oder lang Auswir- kungen auf die Marine haben wird, dar- über sind sich Experten und Expertin- nen einig. Ansteigende Meeresspiegel, zunehmende Extremwetterereignisse, eine Häufung von Sturmfluten und die damit einhergehende Zerstörung von Stützpunkten und für die Marine rele- vante Infrastruktur oder die Versauerung und Versalzung der Meere, die zu einem höheren Instandhaltungsbedarf bei Schiffen und Booten führen, sind dabei nur einige Beispiele, in denen der Klima- wandel direkten Einfluss auf die Marine haben wird.
Die Marine ist jedoch auch elementarer Bestandteil der zivilen Katastrophenhilfe.
Das heißt, selbst wenn die Marine zukünf- tig nicht selbst von den Auswirkungen sich häufender Extremwetterereignisse betroffen wäre, würden sich Einsätze im zivilen Bereich häufen. Insgesamt bedeu- tet dies eine kontinuierliche Belastung für die Einsatzbereitschaft und auch die Reaktionsfähigkeit, da sie Kräfte binden, die für den Kernauftrag benötigt werden. Um den Kernauftrag erfüllen zu können, ist es also unerlässlich, dass die Marine in ihren Planungen die Auswirkungen des Klimawandels nicht nur berücksichtigt und sich an den Klimawandel anpasst, sondern auch selbst einen Beitrag zum Klimaschutz leistet. Dies gewährleistet, dass die Marine „dauerhaft, resilient und eskalationsfähig in allen Operationsge- bieten präsent sein“ kann und einsatzbe- reit ist, wenn sie gebraucht wird – eines der Hauptziele, die sich die Marine für die nächsten zehn Jahre steckt. Warum? Weil sich Einsatzbereitschaft, Kampffähigkeit und Klimaschutz nicht ausschließen. Weil sich für die Marine Vorteile ergeben, wenn sie Klimaschutz und Klimaanpassung kon- sequent in ihre Planungen mit einbezieht. Dies möchte ich im Folgenden anhand ausgewählter Beispiele erläutern.
Die Abhängigkeit von fossilen Brenn- stoffen und anderen Rohstoffen, wie etwa seltenen Erden, ist eine Schwach- stelle der Marine, sowohl, weil Deutsch- land selbst nicht über diese in ausreichen- dem Umfang verfügt als auch, weil diese endlich sind. Die Reduzierung der Abhän- gigkeit der Marine von fossilen Brenn- stoffen durch alternative Kraftstoffe und Energieträger hat damit einen doppel- ten Effekt: sie bedeutet eine langfristige Sicherung der Operations- und Einsatz- fähigkeit und leistet einen Beitrag zum Klimaschutz. Aber auch unabhängig von
Dr. Kerrin Langer
der Rohstoffverfügbarkeit ergeben sich durch die Energietransformation opera- tive Vorteile, etwa im Fall von elektrischen Antrieben, die häufig nicht nur instand- haltungsärmer, sondern auch leiser sind. Bei den Waffensystemen, die die Marine beschafft, und mit denen sie sich „dau- erhaft an der Spitze der Entwicklungen positionieren“ will, um „dem Gegner immer einen Schritt voraus [zu] sein“ sollte sich die Marine folgende Fragen stellen: Sind die Schiffe und Boote, die jetzt ent- wickelt werden, auch in einer post-fossi- len Welt einsatzfähig? Können wir durch sinnvolles Recycling die Abhängigkeit von importierten Rohstoffen reduzieren? Kön- nen kleinere und smarte unbemannte Sys- teme zum Einsatz kommen, die mit erneu- erbaren Energien betrieben werden und damit auch einen Beitrag zur Reduktion von Emissionen leisten? Darüber hinaus sollte auch die Veränderung der Meere in die Entwicklung und Beschaffung von Waffensystemen mit einbezogen werden: Sind die Materialien, die in den verschie- denen Waffensystemen eingesetzt wer- den, auch für den Einsatz in sich chemisch
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Foto: Langer/Dani

