Page 18 - Leinen los! 04/2023
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Deutsche Marine
auch nur eine einzige deutsche P-3C in die Luft zu bringen; vier mussten ausge- mustert werden. Vor dem Hintergrund der laufenden Operationen der Deut- schen Marine ausgesprochen ärgerlich. Mit Mühe gelang es, für die EU-Überwa- chungsmission Irini im Mittelmeer 2020 eine Orion klar zu melden, während ihre drei Schwestern sich noch immer in der Instandsetzung befanden. Die Maschine erhielt den Rufnamen „Joker“ und erflog im zentralen Mittelmeer vor der Küste von Libyen Aufklärungsergebnisse, nach- dem man die Fregatte hamBurg abgezo- gen hatte. Anfang Januar 2021 musste man die Mission Irini dann abbrechen, weil die eingesetzte P-3C defekt war. Das BMVg entschied daraufhin im Laufe des Jahres 2021, fünf Boeing P-8 A Posei- don zu beschaffen. Die auf dem zivilen Kurz- und Mittelstreckenflugzeug Boe- ing 737-800 basierenden Zweistrahler sind aus dem Programm „Multimission- Maritime-Aircraft“ (MMA) hervorgegan- gen; rund 150 wurden davon inzwischen weltweit ausgeliefert. Ab 2025 sollen die P-8 A beim MFG 3 fliegen, wenngleich nur als Lückenfüller. Denn 2035 möchte
man aus einem deutsch-französischen Rüstungsprojekt das Mehrzweckflug- zeug MAWS (Maritime Airborne War- fare System) erhalten, das dann die P-8 A ersetzen soll.
Im Gegensatz zu rein militärischen Zweck- entwürfen sieht man der P-3C Orion sehr gut an, aus welchem Stall sie kommt. Der viermotorige Seefernaufklärer entstand aus der zivilen Lockheed L-188 Electra, und die hatte schon am 6. Dezember 1957 ihren Erstflug! Die 35,61 m lange Orion hat 30,37 m Spannweite und ist insge- samt 10,27 m hoch. Angetrieben wird sie von vier Turboprop-Triebwerken Rolls- Royce-Allison T56-A-14 mit zusammen 19 800 PS/14 600 kW und HS.54H60- 77-Propellern (Durchmesser 411 cm), die die bis zu 64 400 kg wiegende Maschine auf bis zu 405 kn (750 km/h) beschleunigen. Die Dienstgipfelhöhe beträgt 8625 m; während eines ca. drei- stündigen Patrouillenflugs legt eine P-3C rund 2500 km zurück. Als Seefern- aufklärer und U-Bootjägerin stützt sie ihre Kompetenz vor allem auf eine Viel- zahl von Sensoren, um über und unter der Wasseroberfläche aufzuklären. Dazu
zählen das elektronische Aufklärungssys- tem AN/ALR-95, ein Magnetanomalie- Detektor ASQ-81 im charakteristischen „Glasfaser-Stachel“ im Rumpfheck, der Video-/Infrarotsensor MX-20HD (Wär- mebild-Kuppel) oder aber das Ober- flächenradar APS-137B, nebst aktiven bzw. passiven Sonarbojen, die aus der Unterseite der P-3C ausgestoßen wer- den können.
Die Sonarbojen können Geräusche unter Wasser erfassen und an den See- aufklärer melden oder aber selbst aktiv wirken und mit ausgesendeten Sonar- wellen gegnerische Unterseeboote auf- spüren. Außerdem liefern sie Grundla- gendaten, etwa die Temperatur des Wassers, Dichte und Salzgehalt, und andere Variablen. Daraus ergeben sich Aufschlüsse über die Wasserbeschaf- fenheit im jeweiligen Seegebiet. Zur Bekämpfung gegnerischer Untersee- boote kann die P-3C in einem 5 m lan- gen internen Waffenschacht im Vorder- teil der Zelle bis zu acht Leichtgewicht- Torpedos Alliant Techsystems Mk.46 mitführen. Technisch möglich wäre auch das Mitführen von Abwurf- und Lenk-
Die Namensgebung der P-3C kommt nicht von ungefähr: In der griechischen Mythologie gilt Orion als stolzer, furchtloser Jäger. Im Bild die 60+03, die ehemalige 98+01. In den Niederlanden hatte sie die Rumpfnummer 303 (Bu. No. 161 371)
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