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F r i e d r i c h                            S c h i l l e r :
                                              Es schwinden jedes                           Kummers Falten, /
                                                so lang des Liedes                          Zauber walten.




         MUSIK   ist menschen-verbindend; lies nur >


                                              Wie schön ist doch Musik ?
                                         Erklärt durch einen Vortrag und . . . . .

        Lange  schon ist es her. Wilken  (Wilhelm,  Willi,  Wilkensen,  Gugliermo,  Gulliermo  usw.) studierte im
        Sauerland.  Er  besaß  ein  für  heutige  Verhältnisse  mehr  als  einfaches  Radio.  (Ob  nun  jemand  aus  einem
        einfachen  Radio  Schlauheiten  spricht  oder  aus  einem  modern  mit  noch  so  viel  Tasten  ausgestattetem
        supermodernen Radio Unsinn verkündet, ein Radio kann nie etwas dafür.) Aus seinem einfachen Radio hörte
        Wilken, Freund von Wilko, an einem Nachmittag zur Winterszeit - es lag auch Schnee - in einer mittelgroßen
        Stadt im Sauerland in seinem Zimmer in einem Haus, das am Berghang lag, dessen Zuwegung vor dem Haus
        auf der anderen Seite einen Friedhof abgrenzte einen Vortrag über Wie schön ist doch Musik!

        Sicher, der Vortrag war verständlich aufgebaut, nicht zu lang, gut gesprochen, aber auch mit vielen musik-
        eigenen  Spezialausdrücken  gewürzt.  Wilken  hatte  alles  verstanden  und  in  sich  aufgenommen.  Musik  ist
        wirklich schön! Das hatte der Vortragende erklären wollen und hatte es auch erklärt. Lange Zeit bewahrte
        Wilken das Wesentliche des Vortrags bei sich. Eine noch längere Zeit, jetzt zurückdenkend, allerdings hat
        Wilken  das  alles  schon  vergessen,  das,  was  der  Vortragende  gesagt  hat.  Nicht  vergessen  hat  Wilken  die
        Bilder, die sich am Anschluss an diesen Vortrag vor seinen Augen abspielten:


        Wilken  hatte  einen  noch  älteren,  noch  älter  aussehenden  Plattenspieler.  Nach  diesem  Vortrag  über  Musik
        hörte  er  Arien  aus  Opern  von  Mozart.  (Ein paar  Platten  hatte  er  sich  leisten  können  –  auf  Ratenzahlung.)
        Musik  von  Mozart bei  schlechter  Luft  in  einem  kleinen  Zimmer  -  Wilken  öffnete  das  Fenster.  Die  Musik
        bahnte  sich  ihren  Weg  nach  draußen  in  die  Winterlandschaft,  den    Berghang  hinab  auf  den  gegenüber
        liegenden Friedhof.


        (Wilken stellt  noch heute gern Musik etwas lauter als allgemein erlaubt: er möchte andere mithören lassen,
        sie hören lassen, Wie schön ist doch Musik!) Wilken trat ans Fenster, um frische Luft mit Musik im Rücken
        einzuatmen. Ein älterer Mann, ziemlich groß, weißhaarig, mit seiner etwas kleineren Frau kam die vor dem
        Haus  liegende  Zuwegung  vor  dem  Friedhof  herauf.  Weniger  trafen  sich  ihre  Blicke,  die  der  weißhaarigen
        männlichen Erscheinung, die von seiner Frau unten und die von Wilken, er oben im Haus aus dem Fenster
        sehend. Aber er, der Alte Herr hörte die Musik von Mozart aus dem Zimmer von Wilken oben in dem von ihm
        aus links liegenden Haus am Berghang - seine Frau reagierte darauf nicht, sie hörte sie wohl nicht -; er hörte,
        hörte . . . . . und sah zum Fenster hinauf - Wilken hatte wieder das Radio laut, eigentlich zu laut gestellt - , er
        sah Wilken am Fenster stehen, zunächst nicht, dann auf einmal hob er seine rechte Hand und winkte Wilken
        zu, so als wolle er sagen





                                                      Wilhelm  Gelhaus

                                           Orchideenstraße 7  ~  49661 Cloppenburg

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