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            Der Hund:Mythos und Symbol


            Seit fast 15.000 Jahren ist der Hund Lebensgefährte des Menschen.Es ist deshalb nur natürlich,dass er in dessenVorstellungen eine bedeu-
            tende Rolle einnimmt.Tatsächlich hat der Mensch das Unsichtbare und Mystische immer mit Hilfe von Objekten dargestellt,dieTeil sei-
            nes täglichen Lebens waren. Im Fall des Hundes ist es dessen Erscheinung und vor allem auch seinVerhalten, das in den Darstellungen
            als Symbol für Situationen, Fähigkeiten oder sogar Gottheiten diente.


            Wächter desTotenreichs                                 Botschafter zwischen dem Jenseits und der Welt der
                                                                   Lebenden
            Der Hund ist ein Wächter. Er heult den Mond an und jagt häufig in
            der Nacht. Deshalb wird er in zahlreichen Gesellschaften mit dem Tod  Der Hund diente auch als Mittel der Kommunikation zwischen dem
            in Verbindung gebracht. Er ist der Wächter des Totenreichs, er hindert  Jenseits und der Welt der Lebenden. Es gibt zwei Darstellungen, zum
            die Lebenden und die Toten die Schwelle zu überschreiten, die diese  einen den Hund, der einer in Trance versetzten „Hexe“ Botschaften
            beiden Welten voneinander trennt. Beispiele sind Zerberus, der schwar-  übermittelt, wie man es in Zaire bei den Bantus oder im Sudan sieht.
            ze Hund mit drei Köpfen aus der griechischen Mythologie, oder Garm,  Oder man gab dem Hund Botschaften für die Toten mit, die sie nach
            der Wächter von Niflheim, der                                                        ihrer eigenen Opferung über-
            Unterwelt der Germanen.                                                              gaben, wie bei den Irokesen
                                                                                                 Nordamerikas und einigen
            Begleiter derToten und                                                               Volksgruppen im Sudan.
            ihrer Seelen
                                                                                                 Diese  wenigen  Beispiele
            Wie der Hund die Menschen im                                                         mögen die Verbindung zwi-
            täglichen Leben begleitet, so                                                        schen dem Hund und den
            begleitet er sie auch im Tod. Er ist                                                 Toten verständlich machen,
            das Symbol des Begleiters der                                                        sie stehen in Verbindung mit
            Seelen auf ihrer Reise in das                                                        dem nächtlichen Jäger und
            Königreich  der Toten.  Der                                                          unterstützten  zweifellos
            berühmteste ist Anubis, Gott des                                                     Gerüchte über Hexerei und
            alten Ägypten mit dem Kopf eines                                                     das Böse rund um dieses Tier.
            schwarzen Hundes. Seine Aufgabe
            war es, die Einbalsamierung der
                                                                                                 Die zwei Seiten der
            Toten zu überwachen und sie
                                                                                                 Symbolkraft des Hundes
            dann in den Saal zu begleiten, in
            dem über ihre Seelen gerichtet                                                       Die muslimische Religion
            wurde. Schließlich verkündete er                                                     stellt die obskure Seite des
            den Richtspruch.                                                                     Hundes heraus, dort ist der
                                                                                                 Hund tatsächlich ein unreines
            Bei den Mexikanern war ein Gott                                                      Wesen, wie das Schwein. Er ist
            bekannt, der Anubis in etwa ent-                                                     ein Aasfresser, der die Engel
            sprach. Er hieß Xolotl und war ein                                                   vertreibt und den Tod mit sei-
            Gott von der Farbe eines Löwen,                                                      nem Bellen ankündigt. Man
            der den Sonnengott auf seiner                                                        soll ihn nicht berühren und
            Reise zur Erde begleitet hatte. In                                                   wird, wenn man ihn tötet, so
            der Praxis wurde ein Hund der                                                        unrein wie er. Andererseits
            Rasse Xoloitzcuintle, so gelb wie  Hydra mit Herakles, Zerberus und Eurystheus, Museum derVilla Giulia, Rom  kann man sich vor Hexen
            die   Sonne,  bei   rituellen                    ©Costa/Leemage/Josse                schützen, indem man das
            Bestattungen geopfert, dies konn-                                                    Fleisch eines Hundewelpen isst
            te auch der Hund des Verstorbenen sein. So wurde der Tote bis zu sei-  und man erkennt die Treue eines Hundes gegenüber seinem Herren
            ner Ankunft an den Türen des Totenreichs bewacht. In Guatemala war  an. Paradoxerweise preist der Islam den Windhund als nobles Tier,
            es üblich, Hundefiguren an den vier Ecken eines Grabmals aufzustel-  Symbol des Wohlergehens und des Glücks. Diese Doppeldeutigkeit des
            len, eine Praxis, die bis in unsere Tage erhalten geblieben ist.  Hundes als Symbol findet sich auch in den Ländern des Fernen Ostens.

            In den östlichen Gesellschaften vertraute man die Toten und die  So ist der Hund in China zum einen ein Zerstörer in Form eines gro-
            Sterbenden Hunden an, damit diese sie in das Paradies begleiteten, den  ßen, haarigen Hundes mit Namen T’ien-k’uan und zum anderen ein
            Wohnort der reinen Gottheiten.                         treuer Begleiter, der die Unsterblichen ins Paradies begleitet. Der


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