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            Der Sozialhund

            Bereits sehr früh wurde Menschen mit psychischen Problemen im Rahmen ihrer
            Behandlung einAufenthalt auf einem Bauernhof empfohlen.Während des Krimkrieges 1854
            bis 1856 hielt Florence Nightingale in ihrem Hospital eine Schildkröte, denn diese schien
            die Menschen zu beruhigen und ihre Gemütsverfassung zu verbessern. 1950 zeigte Boris
            M. Levinson die Bedeutung von Tieren bei der Behandlung von bestimmten psychischen
            Erkrankungen.



            Ein Mediator für dasWohlbefinden des Menschen
            Ein Tier kann das Wohlbefinden von Menschen  Anhand bestimmter physiologischer Parameter
            verbessern helfen, die an einer physischen oder  (z.B. Verringerung des arteriellen Blutdrucks)
            psychischen,  sozialen  oder  kognitiven  konnte beobachtet werden, dass Stress abnimmt.
            Erkrankung leiden. Die Beziehung zwischen  Das Tier kann auch bei eingeschränkter
            Mensch und Tier verbessert das Selbstbewusst-  Bewegungsfunktionen einen Anreiz bieten, sich
            sein und erfüllt einerseits den psychischen und  wieder zu bewegen, indem man dem Patienten                  © Hermeline/Diffomedia
            andererseits den emotionalen Bedarf der  eine konkrete Handlung als Ziel setzt (Beispiel:
            Menschen. Man unterscheidet zwischen einer  einen Hund zu bürsten). In Altersheimen wirkt
            Zootherapie (mit der Zielsetzung einer  die Anwesenheit von Hunden beruhigend und
            Therapie) und einer tiergestützten Therapie, bei  erleichtert soziale Kontakte rund um die
            der das Tier mit dem Ziel eingesetzt wird, die  Aktivitäten mit dem Hund. Bei Menschen, die  In Stadtvierteln mit schwierigen Lebensbedin-
            Patienten zu motivieren, abzulenken oder zu er-  an Alzheimer leiden, kann die Anwesenheit ei-  gungen ermöglicht der Hund Kindern, sich mit
            ziehen. Kürzlich wurde in Québec eine entspre-  nes Hundes Ängste mindern. Er gibt Vertrauen  dem Begriff des Respekts vertraut zu machen
            chende Schule eröffnet und derartige Aktivitäten  durch sich selbst und ermöglicht älteren  und erleichtert ihre soziale Integration. Die
            entwickeln sich sehr schnell in Frankreich,  Menschen die Beschäftigung mit einem Hund,  Erziehung von Welpen und Junghunden zu
            Deutschland,  Kanada  und  den  USA.  die dies auch als Hilfe für ihr restliches Leben an-  Führhunden oder Hunden für Hörbehinderte
            In Krankenhäusern hilft die Anwesenheit, die  sehen. Der Besuch eines Hundes wird freudig er-  wird auch in Justizvollzugsanstalten für be-
            Ruhe und der Kontakt zu einem Hund die  wartet und unterbricht die Einsamkeit alter  stimmte Insassen als Maßnahme der sozialen
            Gemütsverfassung der Patienten zu verbessern.  Menschen, die sonst sich selbst überlassen sind.  Erziehung geschätzt.
                                                                                      Der Hund wird schließlich mehr und mehr ein-
                                                                                      gesetzt, um (wie das Pferd oder die Katze) au-
                          Was versteht man unter „tiergestützterTherapie“?            tistischen Kindern zu helfen.

                 DieTherapie mit Hilfe vonTieren basiert auf dem einfachen Einsatz vonTieren,um po-
                                                                                      Der Hund ist also ein wunderbarer Gehilfe, um
                 sitiveAuswirkungen für die mentale und physische Gesundheit des Menschen zu errei-
                                                                                      Menschen bei ihrer Wiedereingliederung in die
                 chen.
                                                                                      Gesellschaft zu helfen und bestimmte Handlun-
                 Die Beziehung zwischen Menschen und Tieren hat einen positiven Einfluss auf die  gen zu erlernen, oder wieder zu erlernen.Dank
                 Lebensqualität, vor allen bei jungen und alten Menschen. Es ist wissenschaftlich nachge-  seiner Lernfähigkeiten, seiner Motivation und
                 wiesen, dass diese Beziehung einen positiven Anreiz für den Genesungsprozess hat.  der starken Bindung zwischen Mensch und
                                                                                      Hund wird er zu einem unverzichtbaren
                 In Österreich hat unsere Gesellschaft TAT „Tiere als Therapie“ seit mehr
                                                                                      Verbündeten, dies geht weit über das Stadium
                 als 20 Jahren erfolgreich Hunde als Co-Therapeuten bei pädagogischen,
                 geriatrischen und therapeutischen Projekten eingesetzt.              des „besten Freundes“ hinaus.
                 DieTAT bietet auch Schulungen für Menschen undTiere an.In Kooperation mit der tier-
                 ärztlichen UniversitätWien bietet dieTAT professionelle Kurse „Therapie mitTieren“ an:
                 Es handelt sich um die einzigen Universitätsangebote dieserArt
                 in Europa.
                                                                                           „Die Beziehung zwischen Mensch
                                                                                                    undTier verbessert das
                                                    Helga Widder,                              Selbstbewusstsein und erfüllt
                                          Tierärztliche Universität Wien
                                                                                             einerseits den psychischen und
                                                      (Österreich)
                                                                                              andererseits den emotionalen
                                             www.tierealstherapie.org
                                                                                                    Bedarf der Menschen.“




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