Page 1 - Rede zur Verteidigung Heinrich Göbels
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Heinrich Göbel angeklagt der Hochstapelei und des Betruges
Nach intensiven Nachforschungen klagt Hans-Christian Rohde (HCR) im Schlußplädoyer seines
Buches den 1818 in Springe geborenen Amerikaner Henry Goebel (HG) o.g. Delikte an und begründet
dies auch. Wie in einem amerikanischen Gerichtsflm üblich möchte ich im Stil eines Verteidigers
eine Gegenhypothese in den Raum stellen, welche bekanntlich nur in soweit bewiesen werden muss,
als dass sie wahrscheinlich genug ist, um eine Verurteilung „ohne jeden Zweifel“ zu verhindern, also
ein Freispruch mangels ausreichender Beweise:
Bevor wir zum Kernpunkt der Vorwürfe kommen, sollten wir zuerst den Ausführungen der Anklage
nachgehen, dass es Indizien für einen Hang zur Hochstapelei gäbe. Dies wird in der
Schlußbetrachtung mit vier Argumenten unterfüttert:
1. Göbels Schulzeugnis mit Charakterbeurteilung seines Lehrers
2. Obwohl er eine Schlosserlehre gemacht hat, hat er als Uhrmacher frmiert
3. Seine Porträtbilder aus der Zeit um 1860 (in Amerika)
4. Ursache und Vorbild könnte ein Statusproblem im Elternhaus sein
zu 1. Besonders befremdlich fnde ich das Argument mit dem Zeugnis und der Beurteilung des
Lehrers. Dies allein deshalb, weil die Anklage zuvor ausführlich dargelegt hat (S97f) :„Es ist nicht
klar, wie die Bemerkung des Lehrers zu verstehen war.“ Mit dem schlechten Zeugnis befndet sich HG
übrigens in gleicher Lage wie Albert Einstein. Auch deshalb halte ich es für sehr befremdlich,aus
„scheint einen erfnderischen Geist zu haben“ und „leichtsinniger“ sittlicher Beschafenheit den Hang
zu Hochstapelei abzuleiten.
Zu 2. Ja, er hat Schlosser gelernt und hat sich dann wohl auf Uhrmacher spezialisiert, einem Luxusgut
zu seiner Zeit und somit sicherlich rentabler. Er bezeichnet sich nur als das, was er gerade als Beruf
ausübt. Solange die Bezeichnung nicht geschützt war, handelt es sich nicht um Irreführung,
geschweige denn Hochstapelei zum Kaschieren mangelnder Kenntnisse. Dass er später als Uhrmacher
(=Feinmechaniker) mit der Verbesserung an der Glühbirne beauftragt wird, zeigt, dass er das Gebiet
beherrscht hat, aber auch seine Patente.
Zu 3. Aus den Porträtbilder leitet die Anklage den Hang zu mehr Schein als sein ab, den Betrachter
somit ein falsches Bild vorzuführen. Aus dieser Zeit gibt es viele derartige Bilder. Man leistete sich
etwas Besonderes, zeigte, dass man es sich leisten konnte. Natürlich zog man konsequenterweise
seinen besten Anzug an oder beschafte ihn sich extra – so wie man sich bei Bedarf einen Smoking
leihen würde, weil man ihn nicht regelmäßig braucht und ein Kauf unrentabel wäre. Tragen viel nicht
teure Nike, ohne es sich wirklich leisten zu können? Sind wir dann Hochstapler?
Zu 4. Das man in der Familie aus Standesgründen ihm den Hang zur Hochstapelei in die Wiege gelegt
gehabt haben soll, basiert bereits auf der einer nicht bewiesenen Vermutung. Davon eine
Beweisführung für die Anklage abzuleiten ist schlichtweg unzulässig.
Nachdem sich nun die von der Anklage behauptete Veranlagung zur Hochstapelei bei HG als
unhaltbar erwiesen hat, gilt es den Vorwurf, ein Betrüger in Bezug auf die Glühbirne zu sein, näher zu
betrachten. Die vorgebrachte Beweislage ist wahrlich erdrückend, jedoch anhand von 180
Zeugenaussagen zu behaupten, dass es nicht „den geringsten Beleg“ dafür gibt, das geht dann doch zu
weit.
An dieser Stelle gilt es zu beleuchten, wie HG „ mittlerweile zu alt und nicht mehr willens dazu“ sich
dennoch in die Lage bringt, gegen den großen Edison anzutreten. Hierzu streift die Anklage den