Page 3 - Rede zur Verteidigung Heinrich Göbels
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welches Edison – bei dem er 1884 anfng - um den versprochenen Lohn von 50.000 $ betrogen hatte
            und ihn mit 10 $ mehr pro Woche abspeisen wollte.

            Um Westinghouse zu stoppen, muss die Verfügbarkeit von Glühlampen für ihn um jeden Preis
            verhindert werden. Heute ein klarer Missbrauch von Marktmacht, der das Kartellamt auf den Plan
            rufen würde (siehe Browserkrieg). Damals bleibt nur noch ein - zumindest genügend Zeit
            verschafender - juristischer Winkelzug.
            Das Licht in die Flasche zu bekommen, die Idee hatten andere schon lange vor Edison, aber ein
            Gerichtsurteil erkannte an, dass seine praktische Umsetzung revolutionär genug sei, dennoch ein
            Patent halten zu dürfen. Wie sagte Edisons über sich: „Ich bin ein Schwamm, denn ich sauge Ideen
            auf und mache sie nutzbar. Die meisten meiner Ideen gehören ursprünglich anderen Leuten, die sich
            halt nicht mehr die Mühe gemacht haben, sie weiterzuentwickeln.“

            In ihrer Notlage durch Missbrauch von Marktmacht womöglich ruiniert zu werden, wird die Goebel-
            Defence geboren. Jetzt entscheiden sich Edisons Wettbewerber ebenfalls für unlautere Methoden.
            Übrigens sind solche Winkelzüge noch heute in einigen Branchen nicht gerade selten.

            HG scheint ihnen mit seinen Kenntnissen in diesem Bereich die beste Chance zu bieten. Warum er
            sich trotz seines Alters darauf einläßt, da spekuliert die Anklage auf „seine Rolle als Erfnder“, seinen
            nicht belegbaren Hang zur Hochstapelei. Wenn man jedoch berücksichtigt, dass Edisons grausame
            Experimente auf Ablehnung stießen und das Desaster mit dessen elektrischen Stuhl negative Presse
            machte, dann läßt sich nicht nur HGs Engagement, sondern auch die Unterstützung seiner Familie
            ganz anders deuten.

            Von jetzt ab werden alle Aussagen von den gewieften Anwälten beider Seiten genaustens juristisch
            passend aufereitet. Was HG wirklich gesagt hat, werden wir nie erfahren. Aussagen von Zeugen und
            deren Rücknahme können von beiden Parteien durch fragwürdige Methoden der Anwälte beeinfusst
            worden sein. Der von der Anklage zitierte Anwalt Edisons beklagt einen mafösen Zusammenhalt im
            Stadtviertel HGs. Das muss nicht nur an der unterstellten Loyalität zu ihrem Mitbürger liegen, das
            kann genauso durch die Verachtung von Edisons Stromtötungen verursacht sein. Sogar Edisons bitter
            enttäuschter Mentor Pope, dem er seinen Aufstieg verdanken soll, spielt als Gutachter mit, u.a. wohl
            um die ofene Rechnung zu begleichen.
            Die Rechnung von Edisons Widersachern geht auf: Chikago erstrahlt im Glanz von 180.000
            Glühbirnen gespeist von Wechselstrom, hergestellt nach Nikola Teslas Vorgaben.

            Göbel stirbt in dem Jahr an Lungenentzündung, welche viele Ursachen haben kann, es ist aber auch
            ein intensiver Umgang mit dem hochgiftigen Quecksilber denkbar. Große Vorteile scheint er aus
            seiner Rolle als Sclüsselfgur nicht gezogen zu haben. Was hat HG wirklich zum mitmachen bewogen?
            Dokumente zu seinen Gedanken werden wir kaum fnden können. Zur Wahrheitsfndung müsste wir
            ihn – so wie die anderen Zeugen beider Seiten – ins Kreuzverhör nehmen. Das aber können wir nicht
            mehr.

            Sollten wir HG vor diesem Hintergrund heute als Betrüger brandmarken, wie uns die Anklage glauben
            machen will? Bauen wir so nicht nur eine neue Anti-Legende auf, die ebenfalls nichts ist als bloß eine
            Legende?
            Als Jury zur Anklage der Hochstapelei und des Betruges und der daraus resultierenden Konsequenzen
            sind seine Mitbürger in Springe aufgerufen.
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