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leseprobe von
SECRETUM LIBELLUS
»Du Arsch! Du hast mir vor 25 Jahren das Herz gebrochen. Du warst nicht mal zur Beerdigung meines Vaters! Glaubst du, du kannst so einfach wieder in mein Leben platzen?«
Ihre Stimme war schrill, voller Wut und Trauer flogen Speicheltropfen aus ihren gebleckten Zähnen hervor. Isabell spürte, wie die Tränen in ihre Augen schossen. Der Blick verschwamm. Hitze stieg ihr ins Gesicht. Sie wollte ihm eine weitere Ohrfeige verpassen, mit ihren Fäusten gegen seine Brust trommeln. Sie wollte aber auch, dass er sie in den Arm nähme, dass er sie festhielte, sanft über ihre Haare strich, einen Kuss auf die Stirn gäbe, dann wäre all die Verbitterung der langen Zeit mit einem Mal vergessen.
Jemand hielt ihre Hand fest und reichte ihr ein Taschentuch.
»Hallo Isabell. Du hast die Haare kürzer, steht dir gut. Auch wenn ich die Erinnerung an die Längeren mag.«
Endlich fand ihr Vorgesetzter die Sprache wieder. »Aber Frau Doktor Gehrman, Sie können doch nicht ..., also Herr Wegener ist wie gesagt ... Oh, Gott. Das ist mir ja so peinlich. Geht es Ihnen gut, Herr Wegener? Ich hoffe dass dieser Zwischenfall ... Frau Gehrman, darüber sprechen wir noch. Mein Gott ist das peinlich. Darf ich Ihnen etwas zu trinken holen, Herr Wegener? Ich hoffe nicht, dass dieser Vorfall irgendetwas ... Ich weiß auch nicht, was in sie gefahren ist. Frau Doktor Gehrman ist eine unserer fähigsten Mitarbeiterinnen. Immer beherrscht, vielleicht sogar etwas kühl. Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll?«
Anne, Isabells beste Freundin, schob die Tobende beiseite und hielt ihr nach wie vor das Taschentuch vor ihre Nase.
»Süße, schnaub’ wenigstens, ist egal wo, und dann verziehen wir uns kurz in’s Bad. Wir sind jetzt schon der Knaller der Veranstaltung. Bestimmt sind die ersten Filme in ein paar Minuten bei YouTube und Facebook. Und du beruhigst dich erstmal.«
Sie schob Isabell vor sich her, denn die versuchte sich zu entwinden, um wieder nach vorne zu stürzen.
Bei dieser kleinen Rangelei trafen sich ihre und die Blicke von Stefan Wegener. »Schön dich zu sehen. Auch wenn es eine Ewigkeit her ist. Geht es dir«, sie reckte das Kinn in Richtung seiner Wange, auf der sich deutlich fünf rote Streifen in der Form von Isabells Hand abzeichneten, »außer dem da, gut?«
Stefan nickte lächelnd. »Danke. Und dir?«
⎮2!5⎮
Caterina di montebasso