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das interview
6 FRAGEN AN ...
Zurecht hat kürzlich ein Kollege die Beratungskompetenz eines Onlineunternehmens in Frage gestellt, dessen meist verkaufter Artikel ein Ladekabel ist. Gerade, wenn eine indi- viduelle Beratung gefragt ist, das Geschenk z.B. für die Schwiegermutter oder den zwölfjährigen technikbegeisterten Neffen gesucht werden, freuen wir uns, dass wir mit den Kunden ins Brainstorming gehen können und sind glücklich, manchmal dabei unsere Lieblingsbücher verkaufen zu können.
S.d.M: Letzte Frage: Was lesen Sie zur Zeit und warum?
H.K.: Kürzlich habe ich den neuen Roman „Das Feld“ von Robert Seethaler verschlungen. Obwohl die Rahmenhandlung ein Friedhofsbesuch ist, bei dem die Toten einer Kleinstadt zu Wort kommen, ist „Das Feld“ kein düsteres Werk. Seethaler gibt jedem der Bewohner bei gleichbleibender klarer, präziser Sprache eine eigene Stimme, wieder habe ich mich auf jede Seite hingefreut. Außerdem sind wir glücklich, dass der bekannte Autor und Schauspieler in Wien und Kreuzberg wohnt und wir ihn immer wieder zum Signieren und einer kleinen Unterhaltung überreden können. Autoren haben es wohl nicht ganz einfach mit uns, aber er trägt’s mit Fassung.
Trotz aller Schwierigkeiten mit der zunehmenden Lesemüdigkeit, der wachsenden Armut, dem sinkenden Bildungsstandard, der Onlinekonkurrenz und der Last des Papierkrams freue ich mich, wenn wir im Buchhandel das Privileg haben, neue Bücher und neue AutorInnen entdecken können, manchmal Monate vorm Erscheinungstermin. Wenn wir diese schönen Werke genau den richtigen Leserinnen und Lesern aller Altersstufen vermitteln können, dann denke ich, wir haben den besten Beruf der Welt.
*Preisbindungsglossar lt. Börsenverein des deutschen Buchhandels (www.boersenverein.de):
Verlage haben die Möglichkeit, die Preisbindung eines Titels 18 Monate nach dessen erstmaligem Erscheinen aufzuheben (§ 8 Abs. 1). In bestimmten Ausnahmefällen, z.B. bei Ereignisbüchern („Fußball-WM" etc.), kann die Preisbindung sogar vor Ablauf der genannten Frist aufgehoben werden. Die Preisaufhebung nach 18 Monaten ist eine Option und kein Muss. Der Gesetzgeber hat sich bewusst gegen das Modell einer zeitlich befristeten Preisbindung entschieden und den Verlagen damit die Möglichkeit belassen, kulturell wertvolle Bücher und sogenannte Longseller über lange Zeiträume einer Preisbindung zu unterwerfen.
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