Page 46 - Serviert das Magazin Heft 3
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klaus Henseler
GASTBEITRAG
Anfänglich waren es einzelne Marken, die als "Siegelschmuck" auf Briefen verwendet oder auf das Produkt aufgeklebt wurden, und als sich herausstellte, dass diese "Siegel" gesammelt
wurden, begann ein wahrer Herstellungsrausch, der die Druckereibesitzer an die Auftragsflut zur Lutherzeit erinnerte. Vergleichbar den nach dem Ersten Weltkrieg produzierten Serienschei- nen entstanden auf die Herstellung dieser Mar- ken spezialisierte Druckereien wie die "Berliner Reklamemarkenzentrale", "Hugo Bestehorn" in Magdeburg, "Jos. W. Hupe" in München oder die
"Graphische Anstalt Zerreis & Co." in Nürnberg.
Nachträglich ist nicht mehr festzustellen, wann eine einzelne Marke gedruckt und eingesetzt wurde. Es ist zu registrieren, dass diese Marken körperlich losgelöst vom Produkt als Zugabe beim Kauf eines bestimmten Produkts verab- reicht wurden. Gedruckt wurden Anlassmar- ken, Siegelmarken, Weihnachtsmarken, Spen- denmarken, Militär und Propagandamarken, Wohltätigkeits- und Veranstaltungsmarken, die Firmen, Vereine, Parteien, aber auch staatliche Institutionen herausgaben. Es mag etwas über- trieben klingen: es gab zu jedem denkbaren The- ma ganze Serien von Marken. Es war ein Massen- phänomen geworden, und nicht nur Kinder oder Jugendliche begannen mit dem Sammeln sol- cher Marken. Sammeln muss genetisch bedingt sein — anders ist dieser Trieb nicht erklärbar.
Nicht alle dieser Marken waren künstlerisch oder
gar kulturell wertvoll oder auch nur interessant — viel Schund überschwemmte die deutschen
Kolonialwarenhändler. Die überwiegende An- zahl der Marken wurde zur Kundenbindung ein- gesetzt. Schwerpunkt waren dementsprechend Marken für Konsumartikel; sie fallen alle unter dem Begriff "Reklamemarke", was sie natürlich auch waren. Ein Anbieter im Internet führt rund 850 Reklamemarken auf, die von Margarineher- stellern ihrem Produkt beigegeben wurden; die-
se Liste ist erkennbar unvollständig: es ist eher von 1.500 bis 2.000 Reklamemarken der Margari- neure und Ersatzbuttermacher auszugehen.
Es heißt, dass in der Hochzeit dieser Reklame- marken die Anzahl der Sammler dieser auch als Vignetten (oder englisch "poster stamps") bezeichneten Papiere die Sammler von Brief- marken deutlich überstieg, zu mal Reklame- marken nicht gekauft werden mussten. Schon früh gab es spezialisierte Sammlerzeitschriften und Sammlervereine (wie den Sammlerverein für Liebig’s Bilder), doch der Überblick oder gar eine vollständige Erfassung war schon verloren gegangen.
1912 gab es eine erste Ausstellung der "Propaganda-Marken" in München. 1914 wurde auf der Leipziger "Buch und Graphik" ("Bugra")
ein Pavillon für diese Sammlermarken einge- richtet und das Deutsche Buchgewerbemuseum legte eine Marken-Sammlung an.
Der Erste Weltkrieg beendete das Goldene Zeit- alter der Reklamemarken — man hatte andere Sorgen. Danach begann für Sammler (und für Druckereien) die "Goldene Zeit" des Notgelds, des sog. Reutergelds und der Serienscheine.
Die Leseprobe ab der nächsten Seite ist ein Aus- zug aus der demnächst in der "Agrarphilatelie" erscheinenden Artikelserie:
"Vom Kuheuter zur veganen Margarine".
Diese Serie und andere Bücher und Büchlein zur "Schwarzen und Weißen Kunst auf der Briefmarke"
können Sie auf der Homepage unter
http://drucker-marken.de
nachlesen.
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die Margarinehersteller und
ihre reklamemarken