Page 45 - Serviert das Magazin Heft 3
P. 45

   klaus Henseler
GASTBEITRAG
 2019 jährt sich das 150. Mal das offizielle Jahres- datum der Erfindung der Margarine durch den Franzosen Hippolyte Mège Mouriès.
Die Anfänge der industriellen Margarinepro- duktion und des Handels mit diesem Produkt begann zwei Jahre später: 1871 kaufte der Hol- länder Antoon Jurgens aus Oss, einer der Grün- dungsväter meines ehemaligen Arbeitgebers, eine Produktionslizenz von Mège Mouriès, der mit seiner Fabrik in Poissy bei Paris wegen des Deutsch-Französischen Krieg nicht so recht reüs- sierte. Mit der Frankfurter Margarin-Gesellschaft AG entstand 1872 die erste Margarinefabrik in Deutschland; zwei Jahre später folgte der Apo- theker Benedikt Klein in Köln. Beide Firmen wur- den von "Unilever" übernommen.
Dann wurden es ganz schnell mehr als 100 Produzenten, die allerorten Margarine herstell- ten und zumeist nur in ihrer Region vertrieben.
Wenn ich richtig gerechnet habe, endete nach 147 Jahren die offizielle Margarineproduktion von Unilever (möglicherweise gibt es irgendwo
noch eine Produktionslinie, auf der eine auf Mar- garine basierte Hautcreme hergestellt wird). Das war letztes Jahr.
Ich habe mich ja immer ein wenig für Geschich- te interessiert (Motto: Wenn man nicht weiß, wo man herkommt, weiß man ja auch nicht, wo man hinwill), war dann aber doch ziemlich überrascht, welche Margarinefirmen im letzten Jahrhundert von Van den Bergh’s Margarine-Gesellschaft mbH oder von Jurgens & Prinzen und Schicht und Lever (ich spreche hier nur über Mittel- europa) aufgekauft und geschlossen wurden. Uns fallen vermutlich sofort 100 Firmen oder Produktionsstätten ein, die aus dem deutschen Konzern ausschieden. Wie immer, wenn man in der Geschichte rumwühlt, merkt man, dass man vom Hölzchen aufs Stöckchen kommen kann
— so bin ich auf Abbildungen früher Margari- nefabriken gestoßen — mein Gott, waren das Riesenanlagen. Und welche ungeheure Anzahl echter Marken gab es — nicht nur wie heutzuta- ge Varianten von Rama, mit oder ohne Salz oder Butter, zum Backen oder zum Kochen oder zum Schuheputzen oder gar als Gleitmittel. Und das gleiche noch einmal für Sanella, für Becel oder Lätta. Kein Esprit mehr bei der ursprünglichen Perle des Konzerns.
Die Margarineindustrie ist oder war gekenn- zeichnet durch eine große Anzahl von Werbe- artikeln — mehr als die beleumdete Waschmit- telwerbung. Die in diesem Buch versammelten Reklamemarken sind ja nur eine Sorte von Wer- begeschenken: nicht vergessen sollte man die Figürchen aus Porzellan aller Art, die Sam- meltassen für die Aussteuer und die Unzahl von Sammelbildern, die sowohl unterhaltsam waren wie auch dem vermutlich genetisch bedingten Sammeltrieb und dazugehörenden Alben Futter gaben.
Eine kurze Bemerkung über Reklamemarken
Besonders in den ersten beiden Jahrzehnten des letzten Jahrhunderts waren Reklamemarken ein weit verbreitetes Werbemittel. Es wird angenom- men, dass insgesamt allein in Deutschland etwa 50.000 dieser Reklamemarken mit insgesamt etwa 10.000 Motiven in einer Millionenauflage hergestellt wurden.
Reklamemarken oder Werbemarken sind Bild- marken mit Werbemotiven. Im Format sind sie durchweg deutlich größer als Briefmarken; sie sind wie diese normalerweise gezähnt und verfügen häufig über eine Gummierung, um einerseits an Briefmarken zu er innern und an- dererseits einem vorgeblichen Zweck, der Ver- siegelung zu dienen.
| 45 |
die Margarinehersteller und
ihre reklamemarken



















































































   43   44   45   46   47