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Nachwort



           Das ist heute ganz anders. „Anwendungswissen“ ist das Schlagwort jeder
           Schul-  und Universitätsreform. Der angloamerikanische  Utilitarismus  jahr-
           hundertelang, zuletzt vom Neuhumanismus, an der geistigen Übernahme
           von Europa gehindert, hat es nach dem II Weltkrieg endlich doch geschafft.
           Nach Kirche und Staat erlangten nunmehr die wirtschaftlichen Interessen
           die Hegemonie über das deutsche (und europäische!) Bildungssystem.

           Symbolisiert  dies einfach  nur  historische  Notwendigkeiten  in einem  line-
           aren Prozess, denen entgegen zu treten möglicherweise  reaktionär oder
           zumindest verstaubt wäre? Vielleicht, aber wir sollten sehen, dass wir  beim
           Aufräumen nicht all zu viel weg werfen. Waren es zuerst die (Bildungs-) In-
           teressen der Kirche und zuletzt die der Wirtschaft, so waren zwischendurch
           doch Mensch und Staat mitgedacht. Es wäre gewiss kein Fortschritt, würde
           dieses Erreichte an der Schwelle der neuen  Zeitenwende vollständig geop-
           fert. Bildung ist eben tatsächlich mehr als Qualifizierung! Jedenfalls dann,
           wenn man der humanistischen Größe „Mensch“ und dem sozialen Gebilde
           „Staat“ eigene Zwecke zubilligt. Würde dies nicht geschehen können, wäre
           das, wenigstens  in seiner Tendenz, dann wohl inhuman und antisozial. Be-
           trachten wir einfach die geistige Selbstfindung/Entwicklung des Individuums,
           die soziologisch begründbaren Interessen des Staates und die Vermittlung
           von beruflich relevanten Kenntnissen für die Welt der Wirtschaft als gleich-
           wertige Zielgrößen.




           Thomas Berrang


























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