Page 131 - Wilhelm Wundt zum siebzigsten Geburtstage
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Einleitung in die allgem. Theorie d. Mannigfaltigkeiten v. Bewusstseinsinhalten. 119
stand zu bestimmen, ohne an ihm die Bestimmung bereits ausgeführt
zu haben. Dies könnte zu der Annahme verleiten, dass der Gregen-
stand, eben weil er einer mehr oder minder weit gehenden Bestim-
mung fähig ist, ohne jede Betsimmung als leerer Träger des Denkens
harre, und dass die Denkthätigkeit, eben weil sie bald an diesem
bald an jenem G-egenstande ihre Bestimmung vollführen kann, un-
abhängig von jedem Gegenstände bestehe.
Man erkennt jedoch unmittelbar, dass weder das Ding an sich
noch das Denken an sich wirkhch ist. Denn der einer weiteren
Bestimmung fähige Gregenstand ist bloß auf Grund der bereits vor-
liegenden Bestimmungen in Wahrheit vorhanden, und die Denk-
thätigkeit, die im Stande ist Gegenständen, die von ihr noch un-
berührt sind, eine Bestimmung aufzuprägen, existirt in der That
nur, sofern sie an anderen Gegenständen bereits bestimmend gewirkt
hat. Es kann folglich das Ding an sich lediglich als die Möglichkeit
Bestimmungen zu erhalten, und das Denken an sich lediglich als die
Möglichkeit Bestimmungen auszuführen sich behaupten.
In der Wirkhchkeit hingegen tritt jede Denkthätigkeit nothwendig
in der zugehörigen gegenständlichen Bestimmung zu Tage, und es
kann kein Gegenstand vorliegen, ohne dass er durch das Denken
bestimmt ist. Indem aber zusammengehörige oder miteinander ver-
trägliche Bestimmungen zusammengefasst werden, und so die Gegen-
stände verschiedener Denkakte zu einem einzigen Gegenstande, dem
Träger eines Vereins von Bestimmungen, verschmelzen, ist die Mög-
lichkeit vorhanden, dass ein mit wirklich vollzogenen Bestimmungen
behafteter Gegenstand noch andere, erst zu vollziehende Bestimmungen
erhält, und dass eine Denkthätigkeit, die in der ihr zugehörenden
Bestimmung an diesem oder jenem Gegenstande hervortritt, auch
noch an anderen Gegenständen bestimmend wirkt.
3.
Demzufolge kann zwar der Gegenstand auch als Träger eines
Vereins von Bestimmungen nicht ohne die ihm anhaftenden Einzel-
bestimmungen des DenkenS; die Glieder des Vereins, bestehen. Er
kann jedoch als ein der Bestimmung fähiger Gegenstand vorausgesetzt
werden, dem die den Verein bildenden Bestimmungen zuerkannt
und die dem Verein fremden abgesprochen werden müssen. Das