Page 22 - Volksdorfer Zeitung April 2017
P. 22
Reichsheimstätte der Siedlung aus dem Volksdorfer Grenzweg von 1936 im damaligen „Flaggenschmuck“.
WENSENBALKEN
Auf der Suche nach
einer kleinen Siedlung
Eine Straße an der Grenze Volksdorfs mit neunzigjähriger Geschichte
Serie Teil 3
Von Jens Koegel
Autor, Archivar, Aktivist
Die ersten zwei Teile erschienen in unserer Februar- und März-Ausgabe
Zwei weitere Persön-
lichkeiten, die das ge- meinschaftliche Leben Wen- senbalkens in dieser Zeit und später prägten, kommen dem Chronisten beim Stichwort „Ju- gendbewegung“ in den Sinn. Da muss einmal Margarete Brunckhorst (1893-1986) ge- nannt werden, die vom Lottbe- ker Platz aus mit dem von ihr geleiteten Chor, den „Nachtigal- len“, mit Brahms-Abenden klas- sisches Liedgut p egte, das die Damen zu vielen Gelegenheiten öffentlich darboten. Viele Mäd- chen und Frauen aus Flücht-
Margarete Brunckhorst im Kreis ihrer Kinder. Das Foto datiert vom Sommer 1944. Weni- ge Wochen später fiel ihr Sohn Uwe mit 19 Jahren bei Arnheim.
lingsfamilien, die nach 1945 in der Siedlung Unterschlupf fan- den, erlebten in diesem Sing- kreis emotionale Wärme und Geborgenheit. Als nach dem Krieg der Wohnraum knapp wurde, stellte der Bäcker der Siedlung den „Nachtigallen“ seine Backstube zur Verfügung. „Hier war es warm, es dufte- te herrlich nach frischem Brot, und das Singen machte gewal- tig Spaß,“ schrieb später eine der Chorschwestern. Selbst als Frau Brunckhorst bereits in ei- nem Seniorenstift in Poppen- büttel lebte, fuhr der Chor, der
sich inzwischen aus begrei i- chen Gründen in die „Krähen“ umbenannt hatte, einmal im Monat zu der rüstigen Leiterin, um gemeinsam mit ihr zu sin- gen. Einer ihrer Söhne, der of- fenbar über ebensoviel Musi- kalität wie Sprachwitz verfüg- te, dichtete über den für das Zu- sammenleben in der Siedlung so bedeutsamen Chor :
Der Nachtigallenchor wurde nicht ganz erreicht Doch schließlich ist es
auch nicht so leicht
Für Krähen jedoch,
muß man sagen,
Ist es durchaus zu ertragen.
Schließlich soll aus den bunten Anfängen der Siedlung noch Karl Barkmann (1896-1959) er- wähnt werden. Eigentlich war der gelernte Exportkaufmann Barkmann am Ende seines Be- rufslebens Leiter der Hauptfür- sorgestelle für Schwerbeschä- digte, Kriegswaisen und Künst- lerhilfe mit Sitz im Biberhaus.
22 VolksdorferZeitung April 2017