Page 102 - Untergegangene Völker
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                   Im Volk gab es keinen einheitlichen Glauben und jeder Glaube, der
              der offiziellen Religion des Staates widersprach, wurde von der
              Regierung des Pharao unterdrückt. Hauptsächlich glaubten sie an mehre-
              re  Götter, welche gewöhnlich als Menschengestalt mit einem Tierkopf
              dargestellt wurden. Jedoch traf man auch in verschiedenen Regionen auf
              örtliche Traditionen.
                   Das Leben nach dem Tod bildete den wichtigsten Teil des Glaubens
              in Ägypten. Man glaubte, dass die Seele auch nach dem Tod des Körpers
              weiterlebe. Demzufolge wurde die Seele des Verstorbenen von beauftrag-
              ten Engeln vor den Gott geführt, welcher als Richter galt und vor zwei-
              undvierzig andere Richter, die als Zeugen mitanwesend waren; eine
              Waage wurde in die Mitte gestellt und das Herz der Seele wurde mit die-
              ser Waage gewogen. Diejenigen, die mehr gute als schlechte Taten voll-
              bracht hatten, zogen an einen himmlischen Ort, wo sie glücklich weiter-
              lebten; diejenigen, die mehr Schlechtes als Gutes angerichtet hatten,
              zogen an einen Ort, an dem sie grausame Qualen erwarteten. Hier wur-
              den sie von einem sonderbaren Geschöpf, dem "Totenfresser" unendlich
              gequält.
                   Dieser Glaube der Ägypter bezüglich des Jenseits zeigt eine unüber-
              sehbare Parallelität zum monotheistischen Glauben. Allein der Glaube an
              das Jenseits ist schon Beweis dafür, dass der wahre Gottesglaube und sei-
              ne Verkündung auch die altägyptische Zivilisation erreicht hatten, doch
              das diese Religion im nachhinein degenerierte und dass der
              Monotheismus sich mit dieser Degeneration in einen Polytheismus umge-
              wandelt hatte. So ist denn auch zu erklären, dass manche Gesandte von
              Zeit zu Zeit auch nach  Altägypten geschickt worden sind, die den
              Menschen die Einheit Allahs predigten und sie dazu aufforderten, sich
              Ihm zu unterwerfen. Einer dieser Gesandten war der Prophet Joseph
              (Yusuf), von dessen Leben im Quran detailliert erzählt wird. Seine
              Geschichte ist von großer Bedeutung, denn sie beinhaltet auch die
              Ankunft der Kinder Israels in Ägypten und den Beginn ihrer Ansiedlung.
                   Außerdem wird in historischen Dokumenten über manche Ägypter
              berichtet, die schon vor dem Propheten Moses das Volk zu monotheisti-
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