Page 134 - Materie: Ein anderer Name für Illusion
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sie zur Hölle geschickt werden: "Wir dachten, dass wir dafür nicht verantwortlich sein würden; Darum sind wir

                  hier". Obwohl die Hölle genauso wie diese Welt ein Bild ist, werden solche Menschen unter den Qualen der Hölle
                  für immer leiden.


                       Einwand: "Jeder sagt, dass die Blätter eines Baumes grün sind. Da jedermann diesen Baum in der gleichen
                  Weise beschreibt, existiert er nicht nur in meinem Gehirn."
                       Antwort: Was die Menschen um uns herum um grün nennen, nennen wir auch grün. Ist die Farbe jedoch, die sie
                  grün benennen, dasselbe Grün, das wir in unserem Gehirn sehen, oder nennen sie das grün, was wir als blau sehen?

                  Wir haben keine Möglichkeit, diese zu erfahren. Es gibt keine Farben außerhalb unseres Gehirns. Es gibt nur unter-
                  schiedliche Längen von Lichtwellen, und es sind unsere Gehirne, die diese Lichtwellen in Farbwahrnehmungen um-
                  wandeln. Folglich bilden sich die Farben innerhalb von uns, und niemand hat die Möglichkeit, die Farbe zu sehen,
                  die in unserem Gehirn entsteht.
                       Dies ist ein Thema, das von vielen Philosophen und Wissenschaftlern behandelt worden ist, und sie stimmten
                  letztlich darin überein, dass "wir nie sagen können, ob jemand die Rose, die wir als rot sehen, genauso wie wir sieht,
                  oder, ob er als rot definiert, was wir als blau sehen." Dies trifft nicht nur auf die Farben, sondern auch auf alle ande-
                  ren Wahrnehmungen zu. Daniel Dennet drückt seine Gedanken zu diesem Thema so aus:
                       Locke diskutierte es 1690 in seinem "Essay Concerning Human Understanding" ("Essay über die Verständnisfä-

                  higkeit des Menschen"), und viele meiner Studenten sagen mir, dass sie als kleine Kinder selbst über diese Idee ge-
                  stolpert sind und von ihr fasziniert waren. Die Idee selbst scheint klar und eindeutig zu sein:

                        "Es gibt die Art und Weise, in der mir die Bilder, Töne und Gerüche der Dinge erscheinen. Das ist ganz klar. Ich
                       denke jedoch darüber nach, ob die Art und Weise, in der die Dinge mir erscheinen dieselbe ist, in der sie anderen
                       Menschen erscheinen."


                       Philosophen haben dieses Thema in vielen verschiedenen Variationen erörtert, doch die klassische Version ist die
                       "interpersonelle" Version. Wie kann ich wissen, ob Sie und ich subjektiv dieselbe Farbe sehen, wenn wir etwas be-
                       trachten? Da wir beide die Bezeichnungen der Farben erlernten, indem uns diese Farben an bestimmten Objekten ge-
                       zeigt wurden, wird unser Sprachgebrauch derselbe sein, auch wenn wir subjektiv völlig unterschiedliche Farben
                       sehen -selbst dann, wenn zum Beispiel etwas, dass für mich rot zu sein scheint, für sie grün aussieht.    50

                       Drew Westen, Psychologieprofessor an der Harvard Universität, erklärt, dass wir vom wissenschaftlichen Ge-
                  sichtspunkt aus nie wissen können, ob jemand anderes die Rose in der selben Weise wahrnimmt, wie wir sie wahr-

                  nehmen:
                       In welchem Ausmaß nehmen die Menschen die Welt in der gleichen Weise wahr, wenn die Wahrnehmung ein krea-

                       tiver, konstruktiver Prozess ist? Erscheint die Farbe rot einer Person, genauso, wie sie jemand anderem erscheint?
                       Wenn der eine Knoblauch mag und der andere nicht, verspüren dann beide denselben Geschmack oder hat der Kno-
                       blauch für jeden von ihnen einen anderen Geschmack? Die konstruktive Natur der Wahrnehmung erweckt das fas-
                       zinierende Problem, in welchem Ausmaß die Menschen die Welt so sehen, wie sie in Wirklichkeit ist. Platon sagte,
                       dass das, was wir wahrnehmen, nur die Schatten an der Wand der Höhle sind, in der wir sitzen, verursacht durch die

                       Bewegung einer im trüben Licht unsichtbaren Realität. Was bedeutet es, zu sagen, dass eine Tasse Kaffee heiß ist?
                       Und ist Gras wirklich grün? Jemand, der an Grünblindheit leidet und dessen Gesichtssinn bestimmte Wellenlängen
                       des Lichtes nicht auszusondern vermag, sieht das Gras nicht als grün. Ist die Farbe grün ein Merkmal des Objektes,
                       des Grases oder des Subjektes, des Wahrnehmenden, oder ist es eine Interaktion zwischen dem Beobachter des Ob-
                       jekts und dem beobachteten Objekt? Dies sind philosophische Fragen im Zentrum der Problematik von Sinn und
                       Wahrnehmung.     51

                       Wie wir sehen, bedeutet die Tatsache, dass wir die gleichen Definitionen bilden oder Farben mit denselben
                  Namen benennen, nicht, dass wir dasselbe sehen. Es ist absolut nicht möglich, die Wahrnehmungen der Menschen zu

                  vergleichen, weil jeder eine eindeutige Welt innerhalb seines Gehirns sieht. Die Vorstellungen der Menschen mitein-
                  ander zu vergleichen ist absolut unmöglich, weil jeder eine klare Welt innerhalb seines Gehirns sieht.


                       Einwand: "Ich bin in einem Garten mit zwei Freunden, und wir drei sehen genau dieselben Dinge. Wie kön-
                  nen Sie sagen, dass diese Dinge Illusionen sind, wenn alles, was wir in unserem Gehirn sehen, genau dasselbe






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