Page 115 - Für denkende Menschen
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Und die Blume fängt die Fliege!
Die elektrischen
Reize, die durch
Die Fliege chemische
reizt die Haare Reaktionen ent-
und die stehen, breiten
Reaktion sich entlang
beginnt. des Blattes aus.
fangen, ändern sie sofort ihre Wasserkonzentration. Sie geben Wasser frei und zie-
hen sich zusammen. Dieser Vorgang ähnelt dem Ablassen der Luft aus einem
Ballon. Währenddessen nehmen die Zellen außerhalb der Falle blitzschnell
Wasser auf und schwellen an. Dadurch Klappt die Falle zu, ähnlich wie ein
Mensch seinen Arm bewegt, wobei sich der Bizeps zusammenzieht während der
Trizeps sich entspannt. Das nun innerhalb der Pflanze eingesperrte Insekt berührt
die Haare immer wieder weil es andauernd zappelt. So entstehen immer wieder
elektrische Signale und folglich pressen sich die Blätter noch fester zusammen.
Unterdessen werden auch die Verdauungsdrüsen der Falle angeregt. Als Folge der
Reize töten diese Drüsen mit ihren Absonderungen das Insekt und lösen es lang-
sam auf. So ernährt sich die Pflanze vermittels ihrer Verdauungsflüssigkeit, die das
Insekt in eine proteinreiche Suppe umgewandelt hat. Nach Ende der Verdauung
funktioniert der Mechanismus, der für das Schließen der Falle sorgte, in umge-
kehrter Weise und öffnet die Blütenblätter wieder.
Das System besitzt noch eine weitere Eigenschaft: Um die Falle aktivieren zu
können, müssen die Haare unbedingt zweimal nacheinander berührt werden.
Die erste Berührung erzeugt die elektrische Ladung, aber die Falle
schließt sich noch nicht. Die Falle wird erst bei einer zweiten
Berührung geschlossen, nachdem die elektrische Ladung
eine bestimmte Stärke erreicht hat und sich entlädt.
Wegen dieses "Doppelauslösers" wird die Fliegenfalle
niemals umsonst geschlossen. Zum Beispiel aktiviert
sie sich nicht, wenn ein Regentropfen darauf fällt.
Denken wir nach über dieses beeindruckende Jagd-
system. Damit die Pflanze ihre Beute fangen und ver-
dauen kann, muss das gesamte System vollständig
vorhanden sein. Fehlte auch nur ein einziges Teil,
würde die Pflanze absterben. Wenn es zum Beispiel
die Härchen innerhalb des Blütenblattes nicht gäbe,
würde die Reaktion nicht beginnen und die Falle sich
nicht schließen, obgleich das Insekt sich innerhalb der
Pflanze befindet. Wenn die Pflanze ein voll-
kommenes Fangsystem besäße, aber keine
Verdauungsabsonderungen hätte, auch dann würde das
System unbrauchbar sein. Kurz gesagt, wenn das System
fehlerhaft ist, bedeutet es für die Pflanze den Tod.