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DIE WOLKENKRATZER DER TERMITEN
                           In der Reihe der Architekten in der Natur ist die Rolle der Termiten nicht
                        zu vernachlässigen. Termiten, die wie Ameisen aussehen, leben in großartigen
                        Nestern, die sie aus Erde formen. Diese Bauten erreichen eine Höhe bis zu 6
                        m, und eine Breite bis zu 12 m. Das Interessanteste an den Termiten ist, dass
                        sie blind sind.
                           Das Baumaterial des Nestes ist ein harter und widerstandsfähiger Mörtel,
                        den die Arbeiterinsekten bilden, indem sie ihren Speichel mit der Erde
                        mischen. Die außerordentlichste Eigenschaft dieser Baukunst ist, dass eine per-
                        manente Luftzufuhr, sowie eine erstaunlich konstante Temperatur und
                        Luftfeuchtigkeit gewährleistet werden. Die dicken, starken Wände der Wolken-
                        kratzer schützen das Innere des Nestes vor der draußen herrschenden Hitze.
                        Zur Belüftung gibt es spezielle Gänge entlang der inneren Wände des Nests.
                        Gleichzeitig filtern Poren ununterbrochen die Luft.
                           Für den Sauerstoff, den die Bewohner eines mittelgroßen Nests benötigen,
                        sind pro Tag 1500 Liter Luft erforderlich. Wenn diese Luft direkt ins Nest ein-
                        dringen würde, würde für die Termiten die Temperatur im Nest gefährlich hoch
                        ansteigen. Doch sie haben Sicherheitsmaßnahmen getroffen, als wüssten sie,
                        was ihnen sonst geschehen würde.

                           Als Schutz vor übermäßiger Hitze bilden sie feuchte Gewölbe unter dem
                        Nest. Die Termitenarten, die in der Sahara leben, graben einen 40 m tief ver-
                        laufenden Bewässerungskanal. Damit erreicht das Wasser das Nest durch
                        Verdunstung. Die dicken Wände des Wolkenkratzers stellen sicher, dass die
                        Feuchtigkeit im Inneren des Baus bleibt.
                           Die Temperaturregelung wird ebenso wie die Feuchtigkeitsregelung durch
                        einen empfindlichen Regelmechanismus durchgeführt. Die Außenluft dringt in
                        das feuchte Gewölbe ein, indem sie durch die dünnen Gänge hindurch strömt,
                        die sich an der Oberfläche des Nestes befinden. Von hier aus erreicht sie einen
                        Raum an der Oberseite des Nestes; dort wärmt sich die Luft, indem sie die
                        Körper der Insekten umströmt und steigt auf. Durch eine solch einfache phy-
                        sikalische Grundregel wird ein Luftkreislauf gebildet, der von den
                        Arbeiterinsekten des Termitenstaates ununterbrochen kontrolliert wird.
                           Darüber hinaus fallen dem Betrachter ein Regen abweisendes, abgeschräg-
                        tes Dach und Rinnen für das Ablaufen des Wassers auf.
                           Wie führen diese Blinden Tiere, deren Gehirn ein Volumen von weniger als
                        einem Kubikmillimeter hat, solch einen komplizierten Bau erfolgreich aus?
                           Es ist offensichtlich, dass die Arbeit der Termiten das Resultat einer gemein-
                        schaftlichen Arbeit der Insekten ist. Die Behauptung, “Die Tiere graben die
                        Tunnel unabhängig voneinander und sie stimmen zufällig überein”, ist offen-


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