Page 10 - Ventil165_April2020
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Wintertreffen ohne Bike in Dresden Flucht vor Corona
Es ist Dienstag. Wir erreichen Iquique im Norden von Chile
Am Sonntag den 9. Februar trafen wir uns über Mittag auf der Flucht vor Corona eine knappe Woche vor dem
im Restaurant der Waldschlösschenbrauerei bei Live- normalen Tourende. Die Fahrt von Arica durch die Ataca-
musik, um uns nicht während der langen winterlichen ma im Norden Chiles war sehr spannend gewesen. Auf
Motorradabstinenz aus den Augen zu verlieren und für einer Strecke von etwa 300km keine Tankstelle, kein Haus,
die neue Saison Pläne zu schmieden. Zu letzterem kam keine Leute nur Sand und fast immer geradeaus. Der hei-
es nur eingeschränkt, die Musik war zu laut und leider ße Fahrtwind kommt meist von querab, rüttelt am Helm
auch nicht angemessen für ein Brauereilokal. Aber das und bei Begegnung mit den Lastwagen holt der Windsog
Essen hat geschmeckt und unterm Strich waren wir doch einen fast vom Bock. Man bekommt einen steifen Nacken,
zu frieden mit dem Tag. Es war das erste Mal, das wir vier träumt dabei von einer schlanken Sozia mit beiden Hän-
zusammensaßen. den frei für eine Massage. Wir haben
es an der letzten Copa-Tankstelle
am Ortsausgang von Arica langsam
angehen lassen. Nachdem bis zum
Überlauf Sprit eingefüllt war, gab
es noch einen Cappuccino und ein
paar fade Empanadas mit Fleisch
oder Käse gefüllt. Wir sind zu fünft
und starten schließlich am späten
Vormittag. Allerdings kommen wir
nicht sehr weit, bei der Husquarna ist das Kühlsystem
defekt, das ist keine gute Ausgangsposition für einen Trip
durch absolutes Niemandsland. Die Sonne knallt so gut sie
kann gnadenlos vom Himmel und wir müssen umkehren.
Zurück an der Copa stellt sich die Frage wie das defekte
Moto nach Iquique zu bekommen. Unser Tourguide in
seinem Transporter, groß genug für das Gepäck und 1-2
Motorräder, meldet sich am Telefon nicht. Also reden wir
auf dem nahe gelegenen Trucker Parkplatz mit einem für
uns wenig vertrauenserweckenden LKW-Fahrer, der gegen
Zahlung von umgerechnet nur Euro 80 die Husquarna
gerne nach Iquique mitnimmt. Er will gen Abend starten
und verspricht das Motorrad am nächsten Tag an unserem
Geplant wurde eine Nachmittagsausfahrt am Dresdner
Elbhang mit Kaffeetrinken in der Nähe von Dohna am 14. Hostal abzuliefern. Also wird die Maschine mit Hilfe eines
März. Leider fiel die nicht nur wegen winterlicher Ver- Gabelstaplers (er kostet Euro 20 extra) auf den langen
hältnisse, sondern auch Änderungen in den Dienstplänen Aufleger gehievt und aufrecht stehend verzurrt. So schön,
unserer beiden „Gäste“ aus. Für April planten wir vorerst so gut – es kommt aber anders.
nichts, weil der mit dem Osterfest schon gut gefüllt ist. Jedenfalls steigt Hans nun bei Kai hinten auf seine alte
Eine kurzfristige Tour schlossen wir aber nicht aus. Afrika Twin auf und ab geht die Post. Geradeaus, gerade-
Für die letzte Woche im Mai ist ein Treffen eines anderen aus, geradeaus – hoppla, eine Kurve, geradeaus, nur Sand,
Clubs in der Sächsischen Schweiz geplant, bei dem wir Steine und Staub überall. Die Strecke verläuft über eine
für 3 Tage die Tour führen wollen um ihnen die Schönheit schier unendlich flache Hochebene, wo der Wind unge-
unserer Heimat zu zeigen und auch die bekannte Mo- hindert freie Bahn hat. Nach etwa 80 km geht es mehrere
torradhöhle in Böhmen. Für Juno ist unser Fahrerlager Kilometer bergab, hinein in einen breiten, von frühen
geplant, weswegen eine weitere Planung für August bis Wassern ausgewaschenen Canyon, auf der anderen Seite
Oktober ausgesetzt wurde. Wer weiß was da sein wird. wieder hinauf und geradeaus. Nach vier guten Stunden
„Ja mach nur einen Plan, sei nur ein großes Licht …“ ist erreichen wir die Polizeistation, machen Rast an einem
ein Song in Brechts Drei Groschenoper. Denn dann kam Restaurant, trinken selbst gemachte Zitronenlimonade,
Corona und dafür gab es keinen zweiten Plan. So ruhen es wird dunkel. Durch den strammen Gegenwind geht
(fast) alle Aktivitäten mit der Hoffnung, daß es im Mai der Sprit rascher zur Neige als erwartet. Die 20 km bis zur
wieder weiter geht. Anfang Mai zur Rhododendron- nächsten Tanke schaffen wir gerade noch so. Die Straße
blühte und weiter wie geplant auch zum Fahrerlager im erweitert sich bald vierspurig, führt nun viele Kilometer
Juno. Allerdings leistete ich mir noch eine „Aktivität“ und durch hohe sandgelbe Dünen bergab zur Pazifikküste
verteilte ein par Flyer unseres Clubs an Motorradwerk- hinunter. Linker Hand liegt Iquique, dahinter der kalte
stätten in der Umgebung meines Wohnsitzes. Pazifik, dahinter der Sonnenuntergang. Mit dem letzten
Tageslicht erreichen wir den Flight Park, das Containerho-
tel, unser Hostal. Der Grill ist schon angezündet.
Manfred Zabel, Dresen
Tags drauf organisieren wir unseren Rückflug nach
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